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Full text: Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie, 15 (1887)

Reisebericht der Deutschen Bark „Werner“. 
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an einem kleinen Heiligenbilde, das sie als Amulet an einer Schnur am Halse 
tragen, zu erkennen. Dieses bildet neben einem kleinen Schurz ihre ganze Be- 
kleidung. An Europäern lebte lange Jahre nur ein katholischer Geistlicher 
(Belgier) hier. Vor einiger Zeit hat sich ein zweiter, ein Englischer Agent, 
in Colachel angesiedelt; außerdem kommen mitunter Gehülfen der Kaufleute in 
Tuticorin hierher, um die Abladung der Schiffe zu besorgen. 
Während des diesjährigen Nordostmonsuns wurden in Colachel aufser 
„ Werner“ noch eine Oesterreichische Bark und zwei Dampfer für Europa und 
New- York beladen, daneben noch einige Küstenfahrer. Der einzige Ausfuhr- 
artikel ist Jaggery. Dies ist bekanntlich der aus dem Safte verschiedener 
Palmenarten gewonnene Rohzucker.. Im Bezirke von Colachel wird nur die 
Palmyrapalme ausgebeutet, weiter nordwärts auch die Kokospalme. Der Saft 
wird dureh Anschneiden des Blüthenkolbens vor der Fruchtbildung gewonnen; 
unter den Schnitt wird ein Gefäls gehängt, welches täglich nach Bedürfnißs 
entleert wird. Der Saft geht sehr rasch in Gährung über, und wird der Zucker 
von den Landleuten durch einfaches Abkochen auf die primitivste Weise ge- 
wonnen, dann in durchsägten Kokosnufsschalen, auch wohl in Erdlöchern zum 
Erkalten gebracht, zu Kuchen geformt und so auf den Markt gebracht. Natür- 
lich enthält dieser Rohzucker sehr viel Feuchtigkeit, so dafs cr bei dem gering- 
sten Druck oder in der Sonne zu Brei oder dickem Syrup wird. Wie es heifst, 
sollen die Landleute, um dem Zucker gröfsere Konsistenz zu geben, denselben 
mit Sand oder Kleie vermischen, gegen welchen Betrug die Kaufleute sich nur 
durch oftmaliges Probenehmen und sonstige Untersuchungen schützen können, 
In den sechziger und siebziger Jahren wurde in der Provinz ein be- 
deutender Kaffeebau betrieben, und wählten die vereinigten Kaffeepflanzer 
Colachel als Ausfuhrhafen; sie erbauten Lagerhäuser mit den erforderlichen 
Reinigungs- und Sortirungsmaschinen und bequeme Wohnungen für die Beamten, 
legten Strafsen und eine Wasserleitung an und verschifften kurze Zeit ihren 
Kaffee mit gutem Erfolg. Seit längeren Jahren hat aber der Kaffeebau voll- 
ständig aufgehört. Aus welchem Grunde, konnte ich mit Sicherheit nicht erfahren. 
Wie mir scheint, sind die Kaffeeplantagen durch eine Insektenplage oder eine 
Krankheit heimgesucht worden, wodurch alle Kaffeebäume zerstört worden sind; 
dazu kam die Ueberproduktion anderer Kaffeeländer und der stetige Rückgang 
des Preises, welche verursachten, dafs für Neuanpflanzungen nichts gethan 
wurde. Thatsächlich ist, dafs seit 5 bis 6 Jahren nicht nur kein Kaffee mehr 
ausgeführt, sondern auch in dem ganzen Bezirke kein Kaffee mehr gebaut wird 
und zur Zeit unserer Anwesenheit in Colachel keine Bohne zu haben war. In- 
folge dessen lagen die kostspieligen Anlagen der Genossenschaft Jahre lang 
brach, bis vor zwei Jahren andere Geschäftsleute es vortheilhaft fanden, von 
Colachel aus Jaggery zu verschiffen, was bisher nur von Tuticorin geschehen 
war; und diese die Anlagen theilweise in Benutzung nahmen. 
Der Jaggery wird in Jutesäcken von 150 bis 200 Pfund Gewicht ver- 
laden und vermittelst kleiner flacher Kanoes nach den Schiffen gebracht. Da 
die Kanoes die Brandung passiren, auch in der Brandung beladen werden 
müssen, so ist unvermeidlich, dafs eine grofse Anzahl Säcke vom Wasser durch- 
näfst wird. Der Jaggery befindet sich deshalb, wenn er an Bord kommt, 
meistens in einem dickflüssigen. Zustande, wozu auch noch das mehrfache Um- 
laden und das Verstauen beiträgt. Die Kanoes laden nur 12 bis 18 Säcke, 
1 bis 1'/2 Tonnen; es sind ihrer jedoch eine genügende Anzahl vorhanden, um 
bei günstigem Zustande der See eine Verladung von 1500 bis 1800 Säcken 
(100 bis 140 Tonnen) täglich zu ermöglichen, Aufserdem kamen zeitweise noch 
zwei vorhandene gröfsere Leichter, von 10 bis 15 Tonnen Tragfähigkeit, in 
Gebrauch. 
Da man das Schiff mit Jaggery nur zur Hälfte bis zwei Dritteln voll- 
ladet, so thut man gut, so hoch als möglich zu garniren und die Ladung bis 
unter Dock aufzustauen, ähnlich wie bei Salpeterladungen, denu die Ladung 
sinkt später um 4 bis 5 Fufßs in sich zusammen, und wird dadurch das Schiff, 
wenn man keine Fürsorge getroffen hat, zu steif und unbequem. Holz und 
Matten zum Garnier sind schwerlich zu haben, wohl aber Palmblätter, und 
diese sind für das Bodengarnier besser wie Matten, weil sie nicht so dicht 
liegen und die aus den Säcken abflielsende Melasse besser durchlassen. Sobald
	        
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