Literarisches.
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bewirken, dafs die Wellen sich nicht normal ausbilden können und jedenfalls
aufhören, überzuschlagen.“ Bei der Erklärung der Strandbrandung schließt
sich der Verfasser nicht der gewöhnlichen an, sondern folgt der Hagen’schen.
Um die Kraftleistung der Brandungswellen zu charakterisiren, werden nach
Stevenson’s Untersuchungen verschiedene Beispiele angeführt; nach seinen
Berechnungen hat die See während des im Dezember 1872 in der Nordsee
tobenden Sturmes, indem sie den auf dem Kopf des Wellenbrechers zu Wick
(Schottland) stark verankerten Monolithen in den Hafen warf, ein Gewicht von
1350 Tonnen 10 bis 15m weit von der Stelle bewegt. ‘
Der Abschnitt über die Seebebenwellen giebt Beispiele aus allen Zeiten
und aus allen Meeren, auch aus der Ostsee (Seite 118), von diesen mächtigen
Wellen und ihren kolossalen bis auf die weitesten Entfernungen reichenden
Wirkungen. ‚Die Berechnung der Tiefen der Oceane aus den Krdbebenwellen
und der beobachteten Geschwindigkeit derselben, wie dies bekanntlich von
verschiedenen Gelehrten geschehen, steht nach Krümmel auf sehr schwachen
Füfsen; denn es ist einmal sehr fraglich, ob die erste in grofsem Abstande
vom Schüttercentrum beobachtete Stofswelle auch wirklich die älteste aller
erzeugten gewesen ist, vielmehr ist nach den Versuchen der Gebrüder Weber
anzunehmen, dafs dies nicht der Fall ist, ferner tritt durch das Passiren von
wechselnden Wassertiefen ein Verlust an lebendiger Kraft. und Geschwindigkeit
der Welle ein, und endlich trifft die bei der Berechnung 'gemachte Voraus-
setzung, dafs die Welle stets den kürzesten Weg durchlaufen hat, selten zu.
In dem Kapitel „Die Gezeiten“ stammen die ersten Abschnitte, d. h,.
ein allgemeiner Ueberblick über die Erscheinung, sowie eine Beschreibung der
Wasserstandsmesser aus der Feder des verstorbenen Prof. Zöppritz, auch die
folgende Theorie der Gezeiten rührt zum Theil aus seinem Nachlafs. Nach der
ginfachsten und ältesten Newton - Bernouilli’schen Theorie werden die
wichtigsten aller neueren. Theorien und Ableitungen mit kurzer Diskussion vor-
geführt, wie diejenigen von Laplace, Young, Whewell, Airy’s Kanaltheorie
unter Zugrundelegung der Redaktion von Börgen, wie sie in diesen Annalen
1884 gegeben ist, Ferrel’s Schwankungstheorie, die Untersuchungen Börgen’s
und sein Versuch, die Eintrittszeiten des Hochwassers in ihrer Abhängigkeit
vom Bodenrelief zu erklären, wie derselbe in dem von der Seewarte heraus-
gegebenen „Segelhandbuch für den Atlantischen Ocean“ niedergelegt ist, die
Untersuchungen von Sir W. Thomson und die von ihm zuerst gegebene
harmonisck6 Analyse, ihre weitere Ausbildung durch G, H. Darwin und Börgen
(Annalen 1884). Bei alledem kommt schliefslich der Verfasser Angesichts der
vielen noch „ungelösten Probleme“ zu dem Resultat, dafs die Gezeitentheorie
nur in sehr unbefriedigender Weise die wirklichen Vorgänge zu erklären ver-
mag, „da die Erscheinung von zu viel rein terrestrischen oder, wenn man
will, geographischen Verhältnissen, welche sich nicht in Formeln zwingen lassen,
abhängig ist.“'
Wenn ’man die Gezeiten mit Airy als Wellenbewegung auffalst, so
erklärt sich sehr einfach, wie dieselben sich als horizontale Gezeitenströmungen
bemerkbar machen. Indem hiernach die Theorie der Gezeitenströmungen durch-
geführt ist, wird dieselbe durch die Stromvorgänge im Britischen Kanal und in
der Nordsee in eingehender Weise beleuchtet; die Erscheinungen in der Nord-
see werden durch die Annahme dreier in dieselbe eindringenden Wellensysteme
erklärt, die Kanalwelle aus Südwest, die schottische aus West und die norwe-
gische aus Norden.
In dem letzten Abschnitt dieses Kapitels werden die an den Fluls-
mündungen durch die Gezeiten hervorgerufenen Erscheinungen einer besonderen
Betrachtung unterzogen, wobei sich der Verfasser hauptsächlich an M., Comoy
(„Etude pratique sur les marges fluviales“, Paris 1881) anschließt.
In dem dritten Kapitel „Die Vertikalcirkulation der Oceane“ weist
Zöppritz — die ersten beiden, die polare Herkunft des Tiefenwassers und die
Versetzung von Wassermassen durch Unterschiede des Salzgehaltes behandelnden
Abschnitte sind von ihm geschrieben — nach, dafs die niedrigen Wasser-
temperaturen am Meeresboden nur durch einen Zußufs kalten Wassers polaren
Ursprungs entstehen können; wenn dieser horizontale Wasseraustausch nicht
Anz, 4. Hydr, ete., 1887, Heft XIL