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Literarisches.
Literarisches.
1. Handbuch der 0zeanographie. Band II, Die Bewegungsformen des
Meeres. Von Dr. Otto Krümmel. Mit einem Beitrag von Prof. Dr. K. Zöppritz.
Stuttgart. Verlag von J. Engelhorn., 1887.
Nach dem Erscheinen des ersten Bandes dieses zu Prof. Ratzel’s vor-
trefflicher Bibliothek Geographischer Handbücher gehörenden Werkes im Jahre
1884 mufste leider durch den bald darauf erfolgenden Tod des Verfassers dieses
Bandes, Prof. v. Boguslawski, eine Verzögerung in der Fortsetzung der
Arbeit eintreten. Kaum hatte Prof. Zöppritz dieselbe übernommen, so wurde
auch er von demselben jähen Schicksal dahingerafft. Um so erfreulicher ist es
anzuerkennen, wenn es nun Prof, Krümmel gelungen ist, dies so vorzüglich
angelegte Werk zu Ende zu führen und diese Aufgabe in verhältnifsmäfsig
kurzer Zeit in so vortrefflicher Weise, wie dies in dem vorliegenden Buche
geschehen, zu lösen.
Die von Prof. v. Boguslawski in seiner Vorrede zum ersten Bande
für den zweiten Theil aufgestellte Disposition ist freilich nicht ganz innegehalten,
und die Kapitel über das Thier- und Pfianzenleben im Meere sowie über den
Einfßufs der oceanischen Forschungen auf das Kulturleben der Menschheit und
über oceanographische Institute weggefallen, dafür aber die übrigen Abschnitte
um so ausführlicher behandelt. Der vorliegende Band behandelt demnach
lediglich die Bewegungsformen des Wassers, und zwar die Wellen, die Gezeiten,
lie Vertikalceirkulation der Oceane und die Meeresströmungen.
In der Ausführung der Wellcntheorie schließt sich der Verfasser bei der
Behandlung der Wellen auf tiefem Wasser hauptsächlich Hagen und Bertin
an, bei der folgenden Besprechung der Weilen auf flachem Wasser wird der
Leser bekannt gemacht mit den Ableitungen und Experimenten der hervor-
ragendsten um die Wellenlehre verdienten Gelehrten, wie Gebr. Weber, Airy,
Scott, Russel, Caligny, Boussinesques u. A. Verfasser kommt jedoch zu
äem Schluß, dafs die nach der Theorie abgeleiteten Formeln, besonders soweit
sie sich auf flaches Wasser beziehen, nur schr unvollkommen mit der Wirk-
lichkeit übereinstimmen und dafs „diese nichts als interessanten Ergebnisse
abstrakter Analysis noch weit davon entfernt sind, die sorgfältige und voll-
ständige Beobachtung der thatsächlichen Vorgänge in der Natur überflüssig zu
machen.“ Kin etwas besseres Resultat läfst sich auf offenem Meere, im freien
tiefen Wasser konstatiren. Kin Vergleich zwischen den nach der Trochoiden-
;heorie bestehenden Gesetzen und den thatsächlich beobachteten Verhältnissen,
wozu die von Lieutenant Päris angestellten Messungen herangezogen werden,
ergiebt eine gute Uebereinstimmung. Bei der Diskussion über die Entstehung
der Wellen und den Einflußs des Windes auf dieselben und die Wellenelemente
kommt Prof. Krümmel zu dem Schlufs, dafs nur die Wellenuhöba als einfache
Funktion der Windstärke angesehen werden kann, während Länge, Geschwindig-
keit und Periode von den Gesammtimpulsen des Windes während einer längeren
Zeitdauer abhängen. Von allen Formeln, welche die Beziehungen zwischen
Windstärke und Wellenelementen algebraisch auszudrücken versuchen, haben
demgemäfs auch nur diejenigen Anspruch auf Gültigkeit, welche das Verhältnifs
zwischen Wind und Wellenhöhe feststellen, alle anderen sind zu verwerfen.
Verfasser gelangt bei der weiteren Diskussion dieser Formeln, indem er die
nach der Beaufort-Skala ausgedrückte Windstärke nach Köppen in absolute
Geschwindigkeit überträgt, zu dem empirischen Satze, dafs die Wellenhöhe gleich
der halben Windgeschwindigkeit ist oder genauer h= 0,43 Vu? — 0,25,
Es folgen nun in verschiedenen Kapiteln ausführlich und interessant
behandelt die besonderen Formen der Wellen, die verschiedenen Arten der
Brandungen und Brecher, ihre Entstehung und Wirkung, die Seebebenwellen
und schließlich die stehenden Wellen. Als von besonderem Interesse für den
Seemann heben wir, wenn auch nicht im Zusammenhavge, die Erklärung hervor,
weshalb beiliegende Schiffe mehr gegen die See geschützt sind; „dieselben
erhalten die See zwar unter spitzem Winkel von vorn, aber da der Wind den
Schiffskörper leewärts drückt, so treffen die Wellen vor dem Schiffe auf Wasser,
welches unter diesem heraufgequollen ist, und dessen zahlreiche kleine Wirbel