Bemerkungen über die. Aden-Cyklone vom Juni 1885.
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Weise die überlieferte Lehre von den tropischen Orkanen, welche gegenwärtig
noch wie ein fremder Körper im Organismus der modernen Meteorologie steckt,
mit der letzteren zu assimiliren, und damit den Theil sowohl als das Ganze
auszubauen. Die Seewarte hat dieses für ihren Theil, wie in manchen früheren
Fällen, so auch hier für den Aden-Orkan versucht. Dafs das Material zur
einigermafsen zuverlässigen Zeichnung synoptischer Karten zu dürftig und unzu-
verlässig ist, mufs leider zugegeben werden. Aus demselben Grunde ist aber
dieses Material eben überhaupt für eine eingehendere Bearbeitung wenig lohnend,
Ein 80 lückenhaftes Material giebt freilich Raum und Anlafs zu scharfsinnigen
Kombinationen, welche für den Verfasser und auch den Leser reizvoll sein
können; aber ihr Resultat ist doch immer nur die Ermittelung dessen, was
möglicherweise gewesen sein kann, nicht was gewesen ist, und es kann leicht
als scheinbare Bestätigung der hineingebrachten Voraussetzungen geradezu
schädlich wirken.
Die Haupteinwände, welche Herr Clou gegen die Darstellung der See-
warte macht, beziehen sich auf zwei Punkte: auf die Krümmungen in der Bahn
des Centrums, welche die Seewarte annimmt, und auf die angenäherten Lagen
der Isobare 750, welche dieselbe mittheilt. Die letzteren erklärt Herr Cloue
für durchaus hypothetisch, weil dort, wo sie gezeichnet sind, keine Beobach-
tungen vorhanden waren. So dürftig das Material auch ist, so ist es doch zur
Zeichnung dieser Isobaren, wenn man die in Europa durch tägliche Entwerfung
synoptischer Karten gewonnenen Erfahrungen zu Hülfe nimmt, ziemlich aus-
reichend, sofern man die Orte und die Barometerstände als einigermafsen richtig
annimmt, Das Material für diese Isobaren — die Angaben über Barometer,
Windrichtung und Windstärke — hat die Seewarte in den kleinen Kärtchen im
Text (vgl. S. 188 dieser Annalen, Bd. 1886) graphisch vorgeführt; wir glauben
nicht, dafs irgend einer der zahlreichen, ım täglichen Wetterdienste Isobaren
zeichnenden Kollegen in Europa die Linien nach diesen Angaben wesentlich
anders zeichnen würde, wenn auch manche vorziehen würden, einige Kurven-
stücke, wie die im NW und SE des Centrums am 1.—2. Juni, im SW am 2,,
im S am 2.—3. und am 3, ganz fortzulassen, welche wir nur nach Analogie
der benachbarten Beobachturgen gezogen haben und um anzudeuten, dafs eine
weitere Erstreckung der Depression in dieser Richtung unwahrscheinlich sei.
Jedenfalls sind diese Isobaren weniger hypothetisch, als die Kreise, mit welchen
Herr Cloue den Orkan auf seiner Karte umgrenzt. Dafs die Seewarte diese
Isobaren trotz ihrer Unsicherheit veröffentlichte, geschah eben im Sinne eines
Protestes gegen die durch nichts erwiesene Aunahme einer solchen regel-
mäfeigen, gleichsam gedrechselten Gestalt der tropischen Wirbel. Diese Regel-
mäfßsigkeit existirt nur dort, wo das Material allzu spärlich ist für eine Ueber-
sicht; die Forderung derselben hat lange genug das Studium der Wirbel der
gemäßigten Zone gelähmt, wie uns, als Beispiel, die Karte in Dove’s „Gesetz
der Stürme“ beweisen mag. Es ist nothwendig, mit diesen vorgefafsten An-
sichten aufzuräumen, um der nüchternen Aufnahme der Thatsachen den Weg zu
ebnen; und in diesem Sinne der Methode, nicht in jenem der positiven That-
sachen, wünscht die Seewarte die Isobaren auf ihrer Karte der Cyklone von
Aden aufgefafst zu sehen.
Ganz ähnlich liegen die, Sachen bezüglich des zweiten Punktes, an dem
Herr Admiral Clou Anstofs nimmt: der Krümmungen der Bahn.
In den vielen Tausenden Bahnen von Wirbelcentren, welche an der See-
warte nach ausreichendem Material — meist nach drei Beobachtungsterminen
am Tage — gezeichnet worden sind, finden sich alle möglichen Kurven,
Schlingen und Diskontinuitäten, trotzdem als leitende Regel stets angenommen
wurde, der Natur keine gröfseren Abweichungen von der Einfachheit zuzumuthen,
als die Thatsachen gebieterisch verlangen. Und ganz dasselbe gilt für die noch
umfassendere Erfahrung des Amerikanischen Signal Service. Dafs auch in
niederen Breiten . die Bahnen der Cyklonencentren häufig sehr eigenthümliche
Biegungen darbieten, haben die Untersuchungen von P. Dechevrens für
Südost-Asien gezeigt, denen sich solche der Seewarte für den Indischen und
den Atlantischen Ocean. anreihen lassen, Es liegt keine genügende Basis vor
zu der Annahme, welche Herr Cloue an die Spitze seines zweiten Aufsatzes
stellt, und welche ihn offenbar in demselben fortwährend geleitet hat: „A priori