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Ueber Erdmagnetismus.
porösen Körper strömt.!) Die Richtung dieser galvanischen Ströme hängt nur
von der Richtung der strömenden Bewegung in der Flüssigkeit ab und ihre
Stärke vartirt bedeutend mit den qualitativen Aenderungen der Flüssigkeit.
Die elektromotorischen Kräfte scheinen unabhängig von der Dicke und
Oberfläche der porösen Scheidewände, dagegen proportional der Druck-
äifferenz zu sein, die die Strömung erzeugt. Ueber die Ursache dieser
Elektricitätserregung sind wir bis jetzt noch im Unklarev, dies ist aber für
unseren Zweck zunächst ohne Belang, da es sich in erster Linie um die Existenz
dieser Art von galvanischen Strömen handelt, die sicher nachgewiesen ist. Wir
können also den Satz aufstellen, dafs in allen strömenden Flüssigkeiten, die
*heilweise mit starren Körpern in Berührung stehen, elektrische Ströme statt-
finden, die sich hauptsächlich in der Richtung der strömenden Flüssigkeit
entwickeln.
Wenden wir diesen Satz auf die strömenden Bewegungen des Wassers
innerhalb der Erdkruste an. Es ist allbekannt, dafs zahlreiche Wasseradern in
den obersten Schichten der Erdrinde nach allen Richtungen verlaufen. Ver-
einigen sich mehrere Wasseradern zu einem gröfseren Stamme und dringen
infolge genügenden hydrostatischen Druckes oder eines zufälligen Gefälles an
die Oberfläche der Erde, so entsteht eine aufsteigende resp. absteigende Quelle,
Dieses Quellwasser entstammt hauptsächlich den atmosphärischen Niederschlägen,
welche in den Boden einsickern, dort mehr oder minder grofse Behälter bilden
and sich auf dem Wege des geringsten Widerstandes den Ausgang nach der
Oberfläche bahnen. Die verschiedenen Adern einer Quelle stehen unter sich
und auch mit anderen Wasserbehältern in hydrostatischeinn Zusammenhange, wie
dies z, B. mit den Aachener Thermalquellen der Fall ist, die trotz aller Ver-
schiedenheit in Wärme, chemischer Zusammensetzung und Distanz ihrer Ausfluls-
stellen in der Tiefe eng zusammenhängen. Auch beweisen die in den ver-
schiedensten Gegenden angelegten artesischen Brunnen das stete Vorhandensein
von Wasser in gröfseren Tiefen der Erde; selbst in der Sahara findet sich
überall Wasser in genügender Tiefe. Wie weit aber die Druckverschiebungen
bei Erdbeben sich in der Tiefe fortpflanzen, folgt daraus, dafs sich in tiefen
Brunnen und Quellen das Wasser trübt, wenn irgendwo ein Erdbeben, selbst
in grofser Entfernung, stattfindet. So beobachtete Herve-Mangon am
artesischen Brunnen in Passy an den Tagen, an welchen in entfernten Ländern,
z. B. in der Schweiz, ein Erdbeben stattgefunden hatte, eine auffallende Trübung
des Wassers und Taramelli fand diese Wahrnehmungen durch seine in
Belluno gemachten Beobachtungen bestätigt. Erdbeben haben an weit entlegenen
Orten Schwankungen des Wasserstandes zur Folge. Der Hechtsee bei Küfstein,
desgleichen der Achen- und Walchensee geriethen in heftige Wallung an dem
Tage, an welchem das Erdbeben zu Lissabon stattfand; ebenso sank bei diesem
Erdbeben das Niveau des Comer- und Neufchateler Sees, die Teplitzer Thermal-
Teeny siegten uud brachen dann blutroth und mit Schlamm versetzt wieder
hervor.
Wir müssen aus diesen Thatsachen schliefsen, dafs die Erdrinde in weit
höherem Mafse, als man sich gewöhnlich vorstellt, von Wasser durchtränkt und
nach allen möglichen Richtungen von Wasseradern durchfurcht ist, und mehr
oder weniger grofse Wasserbehälter im Innern beherbergt, Da nun jede Druck-
vermehrung eine fortschreitende Annäherung des festen Aggrogatzustandes an
den flüssigen und heifsen bedingt, so dürfen wir auch in etwas gröfseren Tiefen
der Erde Dampf- und Gasströme annehmen, die selbst bei langsamer trans-
latorischer Bewegung bei hohem Druck und hoher Temperatur grofse Mengen
von Elektricität fortzuführen im Stande sind, gemäfls dem oben angeführten
Satze über die in allen strömenden Flüssigkeiten, welche mit starren Körpern
1) 6. Quincke, Ueber eine neue Art elektrischer Ströme. Poggendorff’s Annalen, Bd. CVIT,
pag. 1—47, und Bd. CX, pag. 38—65.
2) Günther, Geophysik Bd. X, pag. 381. In welchem Mafse sich diese Art von Er-
scheinungen Jedermann aufdrängt, geht daraus hervor, dafs man sich während des Mittelalters die
ganze Erde als einen von Wasser vollgesogenen Schwamm vorstellte, ja ein guter Beobachter, der
13 Jahre in Süd-Amerika zubrachte, behauptete mit aller Bestimmtheit, das Steigen des Amazonen-
stromes zur Regenzeit lasse sich keineswegs durch die gefallenen Regenmengen erklären, es sei ihm
stets so vorgekommen, als ob das Wasser allerorts aus Wasserbehältern der Erde hervorbreche.