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Full text: Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie, 15 (1887)

Ueber Erdmagnetismus. 
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Verschiebungen der Wände in Bergwerken und das Ausströmen von Gasen aus 
denselben hin.) ; ; 
Alle diese Erscheinungen beweisen, dafs im Erdinnern fortwährend lang- 
same Verschiebungen stattfinden, die, zeitweise zum Stillstande gelangend, 
ungeheure Pressungen verursachen, dann plötzlich ausgelöst, Erschütterungen, 
Verwerfungen etc. hervorrufen und so die Oberfläche nie zu vollkommener Ruhe 
kommen lassen. Man berücksichtige ferner die geologisch festgestellte That- 
sache, dafs jede Druckvermehrung eine fortschreitende Annäherung des festen 
Aggregatzustandes an den tropfbar flüssigen bedingt, dafs also mit jedem 
Wechsel von Zug und Druck Wärmeverbrauch und Wärmeentwickelung verknüpft 
ist; man bedenke, dafs die feste Erdrinde nicht überall von gleicher Dicke ist, 
so dafs an gewissen Stellen die heißsen Massen des tiefen Innern sich höher 
erheben, als an anderen Stellen; dafs Gebirgsketten, Hebungs- und Senkungs- 
schollen, tiefe Spalten und Verwerfungen die homogene Beschaffenheit der be- 
treffenden Schichten stören; dafs unterhalb der schlechter leitenden Theile die 
Isogeothermen näher aneinander rücken, unterhalb der die Wärme gut leitenden 
aber auseinander rücken müssen, so erkennt man leicht, dafs alle Bedingungen 
zur Entstehung thermoelektrischer Ströme innerhalb der Erdrinde gegeben sind. 
Der besonders hervortretende Einflufs des Mondes ruft aber eine von Ost nach 
West fortschreitende Erhebung, eine Art Welle hervor, die an jedem Tage 
Spannungen und langsame Dislokationen in der Erdrinde erzeugt.) Auf diese 
Weise kommt also ein System von Strömen zu Stande, die die Erde von Ost 
nach West umkreisen. 
Bis jetzt wurde nur des ungleichförmigen Schichtenbaues der Erdkruste, 
der ungleichen Erwärmung derselben und der Attraktionswirkung von Sonne 
und Mond als der hauptsächlichsten Faktoren gedacht, welche die die Erdrinde 
von Ost nach West umkreisenden thermoelektrischen Ströme verursachen. Man 
hat diese Ströme in gröfseren Tiefen der Erde sich zu denken, jedoch nicht in 
solcher Tiefe, wo ein permanent glühend-flüssiger Zustand herrscht, wenn über- 
baupt ein solcher vorhanden ist. Lamont verlangt für die Tiefe des Sitzes 
des Erdmagnetismus wenigstens 30000m; der gleichen Ansicht ist Airy. 
Höhere Temperaturen, wie sie für unsere Frage in Betracht kommen, finden 
sich im Allgemeinen auch erst in dieser Tiefe. Nach der Formel von Henrich 
herrscht in der Tiefe von 84000 m eine Temperatur von 2500° C., bei der alle 
bekannten irdischen Stoffe in den glühend-flüssigen Zustand übergehen. Wir 
werden also schon in einer Tiefe von 30000 bis 40000 m Wärmegrade finden, 
die die leichter schmelzbaren Bestandtheile einzelner Schichten zu verflüssigen 
im Stande sind, während andere noch im festen Zustande verharren. Aufserdem 
wird durch Gebirgsdruck, Schichtenfaltungen etc. die Homogenität der tieferen 
Schichten in hohem Mafse beeinträchtigt, so dafs bei der ungleichen Erwärmung 
alle Bedingungen zur Entstehung lebhafter thermoelektrischer Ströme in gröfseren 
Tiefen der Erdrinde gegeben sind. 
Indessen haben wir es nicht blofs mit solchen zu thun; auch galvanische 
Ströme kreisen um die Erde und tragen wesentlich dazu bei, die Erscheinungen 
des Erdmagnetismus zu kompliciren, Die Entstehung dieser galvanischen Ströme 
wird erklärlich durch die von Quincke im Jahre 1859 entdeckten sogenannten 
Diaphragmenströme, die hervorgerufen werden, wenn reines Wasser durch einen 
3) So sah man jüngst bei Güly, mitten im Kohlenrevier von Charleror, mächtige Feuergarben 
dem Boden entsteigen. Sie leuchteten weithin und verbreiteten einen dem bei Explosionen schlagender 
Wetter entwickelten gleichen Geruch, Die Flammen erreichten eine Höhe von mehreren Metern 
and entwickelten eine bedeutende Hitze. Eine Untersuchung ergab, dafs diese Gase ihren Ursprung 
in den tiefer gelegenen Bodenschichten der früheren, jetzt aufser Betrieb gesetzten Zeche Saznt Biere 
hatten; das Gas dringt wahrscheinlich durch die Spalten der Gewölbe, welche die verlassenen Gänge 
überdecken, , 
. 2) Wenn W. Thomson und G. H. Darwin für die absolute Starrheit der Erde eintreten, 
so ist zu bemerken, dafs die Grundlage zur Stütze ihrer Deduktionen nicht sicher genug fundirt ist 
und dafs gewichtige Autoritäten, wie Zöppritz, Werner Siemens und Hennesy sich gegen 
diese Auffassung aussprechen. So bemerkt Zöppritz: „Immerhin ist es bemerkenswerth, dafs sich 
nirgendwo mit Entschledenheit Fluthen von längerer Periode ergeben haben, Es gewinnt dadurch 
die Vorstellung eines flüssigen Erdinnern wieder an Bedeutung, womit nothwendig der Schluls ver- 
knüpft ist, dafs die Erdrinde sich mit den Körperfluthen des Innern periodisch auf und ab 
bewegt.“ Auch das allgemeine Fluthphänomen spricht in letzter Instanz nicht für, sondern 
gegen die absolute Festigkeit und Starrheit der Erde.
	        
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