Ueber Erdmagnetismus.
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Verschiebungen der Wände in Bergwerken und das Ausströmen von Gasen aus
denselben hin.) ; ;
Alle diese Erscheinungen beweisen, dafs im Erdinnern fortwährend lang-
same Verschiebungen stattfinden, die, zeitweise zum Stillstande gelangend,
ungeheure Pressungen verursachen, dann plötzlich ausgelöst, Erschütterungen,
Verwerfungen etc. hervorrufen und so die Oberfläche nie zu vollkommener Ruhe
kommen lassen. Man berücksichtige ferner die geologisch festgestellte That-
sache, dafs jede Druckvermehrung eine fortschreitende Annäherung des festen
Aggregatzustandes an den tropfbar flüssigen bedingt, dafs also mit jedem
Wechsel von Zug und Druck Wärmeverbrauch und Wärmeentwickelung verknüpft
ist; man bedenke, dafs die feste Erdrinde nicht überall von gleicher Dicke ist,
so dafs an gewissen Stellen die heißsen Massen des tiefen Innern sich höher
erheben, als an anderen Stellen; dafs Gebirgsketten, Hebungs- und Senkungs-
schollen, tiefe Spalten und Verwerfungen die homogene Beschaffenheit der be-
treffenden Schichten stören; dafs unterhalb der schlechter leitenden Theile die
Isogeothermen näher aneinander rücken, unterhalb der die Wärme gut leitenden
aber auseinander rücken müssen, so erkennt man leicht, dafs alle Bedingungen
zur Entstehung thermoelektrischer Ströme innerhalb der Erdrinde gegeben sind.
Der besonders hervortretende Einflufs des Mondes ruft aber eine von Ost nach
West fortschreitende Erhebung, eine Art Welle hervor, die an jedem Tage
Spannungen und langsame Dislokationen in der Erdrinde erzeugt.) Auf diese
Weise kommt also ein System von Strömen zu Stande, die die Erde von Ost
nach West umkreisen.
Bis jetzt wurde nur des ungleichförmigen Schichtenbaues der Erdkruste,
der ungleichen Erwärmung derselben und der Attraktionswirkung von Sonne
und Mond als der hauptsächlichsten Faktoren gedacht, welche die die Erdrinde
von Ost nach West umkreisenden thermoelektrischen Ströme verursachen. Man
hat diese Ströme in gröfseren Tiefen der Erde sich zu denken, jedoch nicht in
solcher Tiefe, wo ein permanent glühend-flüssiger Zustand herrscht, wenn über-
baupt ein solcher vorhanden ist. Lamont verlangt für die Tiefe des Sitzes
des Erdmagnetismus wenigstens 30000m; der gleichen Ansicht ist Airy.
Höhere Temperaturen, wie sie für unsere Frage in Betracht kommen, finden
sich im Allgemeinen auch erst in dieser Tiefe. Nach der Formel von Henrich
herrscht in der Tiefe von 84000 m eine Temperatur von 2500° C., bei der alle
bekannten irdischen Stoffe in den glühend-flüssigen Zustand übergehen. Wir
werden also schon in einer Tiefe von 30000 bis 40000 m Wärmegrade finden,
die die leichter schmelzbaren Bestandtheile einzelner Schichten zu verflüssigen
im Stande sind, während andere noch im festen Zustande verharren. Aufserdem
wird durch Gebirgsdruck, Schichtenfaltungen etc. die Homogenität der tieferen
Schichten in hohem Mafse beeinträchtigt, so dafs bei der ungleichen Erwärmung
alle Bedingungen zur Entstehung lebhafter thermoelektrischer Ströme in gröfseren
Tiefen der Erdrinde gegeben sind.
Indessen haben wir es nicht blofs mit solchen zu thun; auch galvanische
Ströme kreisen um die Erde und tragen wesentlich dazu bei, die Erscheinungen
des Erdmagnetismus zu kompliciren, Die Entstehung dieser galvanischen Ströme
wird erklärlich durch die von Quincke im Jahre 1859 entdeckten sogenannten
Diaphragmenströme, die hervorgerufen werden, wenn reines Wasser durch einen
3) So sah man jüngst bei Güly, mitten im Kohlenrevier von Charleror, mächtige Feuergarben
dem Boden entsteigen. Sie leuchteten weithin und verbreiteten einen dem bei Explosionen schlagender
Wetter entwickelten gleichen Geruch, Die Flammen erreichten eine Höhe von mehreren Metern
and entwickelten eine bedeutende Hitze. Eine Untersuchung ergab, dafs diese Gase ihren Ursprung
in den tiefer gelegenen Bodenschichten der früheren, jetzt aufser Betrieb gesetzten Zeche Saznt Biere
hatten; das Gas dringt wahrscheinlich durch die Spalten der Gewölbe, welche die verlassenen Gänge
überdecken, ,
. 2) Wenn W. Thomson und G. H. Darwin für die absolute Starrheit der Erde eintreten,
so ist zu bemerken, dafs die Grundlage zur Stütze ihrer Deduktionen nicht sicher genug fundirt ist
und dafs gewichtige Autoritäten, wie Zöppritz, Werner Siemens und Hennesy sich gegen
diese Auffassung aussprechen. So bemerkt Zöppritz: „Immerhin ist es bemerkenswerth, dafs sich
nirgendwo mit Entschledenheit Fluthen von längerer Periode ergeben haben, Es gewinnt dadurch
die Vorstellung eines flüssigen Erdinnern wieder an Bedeutung, womit nothwendig der Schluls ver-
knüpft ist, dafs die Erdrinde sich mit den Körperfluthen des Innern periodisch auf und ab
bewegt.“ Auch das allgemeine Fluthphänomen spricht in letzter Instanz nicht für, sondern
gegen die absolute Festigkeit und Starrheit der Erde.