Vorausbestimmung: des Ganges eines Chronometers.
21
Vorausbestimmung des Ganges eines Chronometers.
Von Prof. Dr. Börgen.
(Hierzu Tafel 1.)
Die Erfahrung lehrt, dafs, wovon die nachstehende Zusammenstellung
vielfache Beispiele bietet, die gröfste Unsicherheit bei der Benutzung der Chrono-
meter auf See in den Aenderungen des g, liegt, welche wir unter der allgemeinen
Bezeichnung Acceleration zusammenfassen. Diese zeigt sich häufig fo unregel-
mäfsig, dafs sie, jedenfalls in vielen Fällen, eine viel ernstere Quelle der Un-
sicherheit ist, als. die Nichtberücksichtigung der Temperatur-Koefticienten es
jemals werden kann, zumal bei den neueren Chronometern, bei welchen ja
besonders auf gute Kompensation gesehen wird. Es tritt daher die Frage auf,
db man nicht schon während einer Reise hierauf Rücksicht nehmen ‚und die
wahrscheinlich eintretenden Aenderungen des Ganges in Rechnung ziehen könne.
Dies strebt das im Nachfolgenden beschriebene Verfahren an, welches .des Bei-
spiels wegen auf die drei während der Reise S. M. S. „Victoria“ 1880/81 an
Bord gewesenen Chronometer angewendet worden ist. Wenn auch im Ganzen
genommen das Resultat ein recht günstiges gewesen ist, so mufs doch von vorn-
herein darauf aufmerksam gemacht werden, dafs das Verfahren nur mit einer
gewissen Vorsicht angewendet werden sollte; es giebt Fälle, und solche werden
auch bei dem gewählten Beispiele zur Sprache kommen, wo man durch das
hier beschriebene Verfahren sehr viel weiter aus dem Wege gerathen kann, als
durch das gewöhnliche. Immerhin scheint es wohl der Mühe zu lohnen, einmal
während einer Reise einen Versuch mit der Methode zu machen, umsomehr als
dieselbe auf jeden Fall den Vortheil gewährt, ein anschauliches Bild der Gang-
änderungen während einer längeren Seereise zu geben.
Das Verfahren läfst sich kurz dahin beschreiben, dafs man sich successive
eine durch die nach und nach beobachteten g gelegte Kurve konstruirt und
für die auf eine Standbestimmung folgende Zeit den Gang aus dem Verlaufe
der an den letzten Theil der bis dahin gezogenen Kurve gelegten Tangente
entnimmt, also mit der linearen Acceleration, welche durch den letzten Theil
der Kurve angedeutet wird, weiter rechnet, bis eine neue Bestimmung von g,
erlaubt, einen neuen Theil der Kurve zu konstruiren, der eine neue Tangente
liefert, die nun zur Entnahme des g, dient u. 8. f, ,
Im Einzelnen würden folgende Vorschriften dienen können, die wir durch
das Beispiel der Chronometer S. M. S. „Victoria“ erläutern werden.
1. Zunächst wird auf gewöhnliche Weise mit dem durch Zeitball oder
auf andere Weise, wenn möglich noch im Ausgangshafen, erhaltenen Gange
gerechnet (es empfiehlt sich im Allgemeinen nicht, den vom Observatorium-mit-
gegebenen Gang zu benutzen, weil derselbe meistens durch den Transport
geändert wird, doch mul dieser Gang genommen werden, wenn die Zeit bis
zum Abgange zu kurz war um einen Gang durch Beobachtungen an Bord ab-
zuleiten). Das nächste g, ergiebt sich aus der Vergleichung der Standbestim-
mungen im Abgangs- und im ersten darauf angelaufenen Hafen u, 8. w.
2. Sobald drei auf solche Weise bestimmte g, vorhanden sind, werden
dieselben in ein Koordinatennetz eingetragen, in welchem die Abscissen das
Datum und die Ordinaten den Gang des Chronometers geben. (S. Tafel 1.)
Hierbei ist zu beachten, dafs die g, für die Mitte des Zeitraumes gelten,
aus welchen sie abgeleitet sind und für diese Daten eingetragen werden müssen.
So sind für unser Beispiel die ersten drei gg 2. B. für 250: — 2,84°, — 3,48°
und 3,33° resp. aus den am 1880 Juli 10, Juli 16, Juli 21 und August 30 er-
haltenen Beobachtungen ermittelt worden, sie gelten daher für Juli 13,0,
Juli 18,5 und Aug, 10,0 und sind für diese Daten in das Koordinatennetz ein-
getragen.