Aus dem Reiseberichte der Deutschen Brigg „J. H. Lübken“.
Aus dem Reiseberichte des Kapt. G. Inhülsen, Führer der
Deutschen Brigg „J. H. Lübken“.
/Mittheilung von der Deutschen Seewarte,)
349
„Auf der Reise von Sydney nach Finsch-Hafen standen wir am 17. Oktober
1885 Morgens nach Schiffsrechnung zwischen Kap Cretin und den Inseln gleichen
Namens unter der Küste von Kaiser Wilhelms-Land, Nachdem wir uns unseres
Ortes genau versichert hatten, wurde der Kurs auf den Bestimmungsplatz ge-
setzt; doch konnte die Einfahrt zu dein Hafen, welche erst in einem Abstand
von einigen Seemeilen zu erkennen ist, vom Schiffe aus nicht entdeckt werden,
und wurde deshalb der Steuermann in einem Boote, mit Karte und anderen
Hülfsmitteln versehen, zur Küste entsendet, um denselben ausfindig zu machen,
was denn auch schließlich, nach langem Suchen in der Langemak-Bucht, gelang,
Da es den ganzen Tag dick von Rogen war, lielsen sich astronomische Beob-
achtungen nicht anstellen.
Seit der Zeit, dafs die Küste von Kaiser Wilhelms-Land in Sicht gekommen
war, hatten wir beständig einen starken nordwestlichen Strom gehabt, infolge
dessen das Schiff, als das Boot gegen Abend zum Schiffe zurückkehrte, trotz
beständigen Kreuzens nach Süden bis Bluff Point vertrieben war, was eine
Strömung von 2—2!/2 Sm in der Stunde ergiebt. In der folgenden Nacht wehte
ein frischer Landwind, der es ermöglichte, mit Tagesanbruch den 18. Oktober
Kap Cretin wieder zu erreichen. Um. 7° a, m. hielten wir nach Finsch-Hafen
ab, woselbst wir dann auch um 9 a. m, glücklich zu Anker kamen, nach einer
Reise von 18 Tagen von Sydney. Der Wind war südwestlich, und wir brauchten,
um einen gut geschützten Ankerplatz zu erreichen, nur ein Mal über Stag
zu gehen.
E Noch bevor wir den Anker hatten fallen lassen, war das Schiff von
Kanoes mit Eingeborenen umringt, und es entspann sich bald ein lebhafter
Tauschhandel. Die Artikel, welche die Leute anboten, bestanden in Flecht-
und Schnitzwerken und waren mit grofser Geschicklichkeit angefertigt. Lebens-
mittel schienen sie jedoch nicht im Ueberflufs zu besitzen, da sie solche nicht
mit sich führten.
Der Dampfer „Samoa“ von der Neu-Guinea-Kompagnie, der unsere Ladung
übernehmen sollte, war noch nicht in Finsch-Hafen eingelaufen, weshalb wir
vorläufßg hier allein liegen mufsten. Das Französische Kanonenboot „Tabert“,
welches am 28, Oktober von Matupi in den hiesigen Hafen kam, verliefßs den-
selben schon am nächsten Tage wieder.
Am 4. November untersuchten wir die Mündung eines Flusses im WSW
von Kap Bredow, der in der Karte nicht verzeichnet ist, aber dessen im Reise-
berichte S. M.S. „Hydne“ Erwähnung gethan wird. Auf der flachsten Stelle
der Barre vor der Mündung desselben betrug die Wassertiefe etwa 3!/2 Faß
(1m), im Flusse selbst aber, so weit wir mit dem Boote kommen konnten,
6—9!/2 Fufs (1,8 bis 2,8 m). Wir legten auf diesem Flusse, der theilweise von
einem steilen Uferlande, das landeinwärts bis zum Fufße des Gebirges reicht,
begrenzt wird, eine Entfernung von 3 Sm zurück, als Stromschnellen ein weiteres
Vordringen verhinderten. Der in der Südwestecke von Finsch- Hafen angegebene
Flufs ist ganz unbedeutend und verdient kaum den Namen eines solchen.
Das Klima schien mir recht gesund zu sein, denn während eines ein-
monatlichen Aufenthaltes bierselbst hatten wir keinen einzigen Fieberfall an Bord,
Nachdem am 5. November die Dampfer „Samoa“ und „Papua“ angelangt
waren, konnten wir, nach Entlöschung unserer Ladung, Finsch-Hafen am 18, No-
vember um 10* a, m. wieder verlassen, um die Reise nach Mioko (Neu-Lauen-
burg) anzutreten. In der Absicht, die Reise längs der Nordküste von New-
Pommern auszuführen, steuerten wir zunächst nordwärts der Küste von Kaiser
Wilhelms-Land entlang. Um 12* m. peilte Fortifications Point mw. West, 3 Sm
entfernt. Der Strom lief mit einer bedeutenden Geschwindigkeit nach NW.
Der am Nachmittage recht frische SE-Wind nahm gegen Abend fast bis zur
Windstille ab. Da wir vor Dunkelwerden so nahe an die Passage zwischen
den Inseln Lottin und Rook herangekommen waren, dafs wir dieselbe übersehen
konnten, und zur Zeit Vollmond. war, so entschlofs. ich mich. hindurch zu segeln.
Ann. d, Hydr. etc., 1887, Heft IX.