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Cyklone im Meerbusen von Bengalen.
Eine genauere Prüfung von Bougainville’s Tagebuch ergab ferner, dafs das
zweite Riff um 5* 30” Nachmittags in einem geschätzten Abstaunde von 5 Sm
gesichtet sein soll, während die Sonne um 5" 35" hinter dem Riffe unterging;
bei der kurzen Dämmerungszeit in diesen Breiten ist es unwahrscheinlich, dafs
die „La Boudeuse“ demselben vor der Dunkelheit nahe genug gewesen ist, um
es deutlich zu seben; und es ist anzunehmen, dafs hier eine durch Reflektion
hervorgerufene optische Täuschung vorgelegen hat,
Wenn hiernach die von „Myrmidon“ bestimmte Lage der in Rede stehen-
den Untiefen — die der Diana-Bank zu 15° 43‘ S-Br und 149° 37’ O-Lg, die
des Bougainville-Rıfes zu 15° 33‘ S-Br und 147° 12‘ O-Lg') — als richtig an-
genommen werden mufs, so scheint es noch einer besonderen Erklärung zu
bedürfen, wie es möglich war, dafs hiernach und dem angegebenen Kurse die
„La Boudeuse“ auf die angegebene Bucht Neu-Guineas, 100 Sm luvwärts vom
Kurse, stiefs. Man darf hier annehmen, dafs der Name Cul de Sac de Orangerie
später einer der zahlreichen Buchten Neu-Guineas beigelegt worden ist, welche
mit den Angaben Bougainville’s, also nach der ursprünglichen von ihm ge-
gebenen Position des Riffes, übereinstimmen, und dieser Name beibehalten ist,
während von Bougainville selbst natürlich einer anderen der richtigen Länge
des Riffes entsprechenden Bucht diese Bezeichnung verliehen ist.
R.
Cyklone im Meerbusen von Bengalen.
In einem im „Nautical Magazine“ 1886 veröffentlichten Berichte stellt
Herr C. A. Lidstone seine während eines zwanzigjährigen Zeitraumes, in
welchem er den Bengalischen Meerbusen im Lotsendienste befahren hat, über
die in jenem Meerestheile auftretenden Cyklone gemachten Erfahrungen zusammen,
welche nicht nur von allgemeinem Interesse, sondern hauptsächlich manche für
die Schiffahrt in jenen Gewässern werthvolle praktische Winke geben. Wenn
auch der allgemeine Charakter dieser Cyklone das volle Gepräge der gewöhn-
lichen Wirbelstürme trägt, so weisen sie doch manche lokale Eigenthümlich-
keiten auf, deren Kenntnifs besonders für den Seemann wichtig ist. Die
Bemerkungen Lidstone’s stimmen im Ganzen und Grofsen mit denjenigen
Willson’s, des früheren Direktors des Meteorologischen Amtes zu Calcutta,
welche in diesen Annalen 1876, S. 155 mitgetheilt sind, und auf welche wir zum
Vergleiche zurückweisen, überein.
Die Anzeichen, welche sich in der äufseren Peripherie einer Cyklone
bemerkbar machen, sind nach Lidstone:
Starker Wind, trüber Himmel und niedrige, schnell sich bewegende Regen-
wolken; fortwährender Staubregen mit Böen; schwere Wolkenmassen mit Wind
und Regen, welche von einer nicht sichtbaren Wolkenbank losgerissen zu sein
scheinen; der Wind ändert sich in Böen und springt nach Beendigung derselben
wieder auf die alte Richtung zurück; zuweilen ein klagender Ton, welcher eher
aus der Luft als aus der Takelage zu kommen scheint; eine Dünung, 8 bis
12 Strich rechts von der Windrichtung; ist die letztere z. B. Nordost, so kommt
die Dünung aus einer Richtung zwischen Südost und Süd, die Dünung weist
demnach auf die Lage des Sturmcentrums hin. Das Barometer giebt oft bis
zur Entfernung von 100 Sm vom Centrum keinen Anhalt, indem es gar nicht
oder nur sehr unbedeutend fällt.
Die Ausführungen Lindstone’s über die aus den Veränderungen der
Richtung und Stärke des Windes und des Barometerstandes zu ziehenden Schlüsse
auf Richtung und Entfernung des Centrums, sowie die Fortbewegung desselben
stimmen überein mit den allgemeinen und bekannten Regeln über Wirbelstürme.
1) Nach der „Notice to Mariners“ No. 11, London 1887, liegt die Westspitze des Riffes in
15° 30,5‘ S-Br und 147° 5‘ O-Lg. (Siehe „Nachrichten für Seefahrer“ 1887, No. 628.)