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Ueber Gewitter und Gewitterbeobachtungen,
Gewitter!) an den Küsten höherer Breiten und selbst im Binnenlande.?) Auch
das Segelhandbuch für den Atlantischen Ocean®) empfiehlt schwere düstere
Wolken, die sich unter einem ausgedehnten Cirrostratusfilz befinden oder nach
oben in einen Schirm von dieser Wolkenart übergehen, als ganz besonders ge-
fährlich der sorgfältigen Beobachtung des Seemannes; auf Gewitter sollen sie
deuten, wenn die Bildung besonders ausgesprochen ist.
Unter diesem Cirrusfilz zeigt nun das aufsteigende Gewitter schwere,
oft sehr dunkle oder auch ganz eigenthümlich gefärbte (s. u.) Wolken, welche
meist der eigentliche Sitz der elektrischen Entladungen sind. Auch sie bieten
eharakteristische Formen. Ist das Gewitter nahe genug gerückt, so zeigt sich
häufig ein langgestreckter Wulst, der durch die Wirkung der Perspektive bogen-
förmig gekrümmt sein kann. In letztesem Falle bezeichnet man ihn als Bogen-
wolke oder als bogenförmige Böe, wobei dann das Wort Böo gleichzeitig die
stürmische Luftbewegung und die Wolkenform bezeichnet.‘) Die Form dieser
Bogenwolken scheint auf dem Meere von der auf den Kontinenten beobachteten
picht wesentlich verschieden zu sein; die zahlreichen Beschreibungen, welche
das Segelhandbuch für den Atlantischen Ocean bietet, passen ganz gut auf
Gewittervorgänge, die ich tief im Innern des Landes beobachten konnte. Doch
merke man sich vor Allem, dafs nicht jedes Gewitter den Wolkenwulst oder
gar einen ausgebildeten Bogen zeigt. Man kann im Allgemeinen sagen, dafs
Gewitter mit diesen Erscheinungen schwerer und besonders gern von Hagel
and heftigem Sturm begleitet sein werden, als solche ohne deutlichen Wolken-
wulst; man wird jedoch bei anhaltender Gewitterbeobachtung auch schwere
Gewitter ohne Wulst (doch nie ohne Cirrusschirm) und furchterweckend aus-
sehende Bogenwolken mit gar keinen oder ganz schwachen Gewittererscheinungen
aufzuzeichnen haben. Gerade in einem sehr charakteristischen Falle, den ich
am 29. Juni 1885 wahrnahm, zog die Bogenwolke mit vorausgegangenem Cirrus-
schirm in grofser Regelmäfsigkeit von Süd herauf bis nahe an das Zenith, ohne
dafs aufser mehrmaligem ganz schwachem Donner Gewittererscheinungen merkbar
wurden, Auch fiel nur Regen, kein Hagel, und der Sturm wurde nicht 8o
heftig, als das drohende Aussehen des Himmels erwarten lief. Wolken dieser
Art kommen zu allen Tages- und Jahreszeiten bei uns vor, im Sommer und am
Tage allerdings häufiger, als im Winter und bei Nacht. Man wolle genau auf
alle Vorgänge während des allmählichen Heranziehens der Bogenwolke (viel-
leicht empfiehlt sich dieser Ausdruck statt der „bogenförmigen Böe“) achten.
Schück bemerkt*) für den Atlantischen Ocean: „Unter der Wolkenmasse wird
es dunkler und immer dunkler, die Luft wird kalt, der Schall scharf und rein,
zuletzt zeigt sich über dem Wasser eine schwarze Linie an der inneren Grenze
der Wolkendecke, ein schwacher violetter Blitz zuckt zwischen ihr und der
Meeresfläche hin, und von nun an scheint ein mächtiger Ring, der sich mehr
aud mehr erweitert, und über welchem sich eine gewaltige Wolkenmasse höher
and höher aufthürmt,%) nach dem Beobachter hin sich auszudehnen. In geringer
Entfernung von diesem Ringe wird es todistill.“ Dann bricht das Gewitter los,
falls es zu einem solchen kommi. Mehrere der hier von Schück beobachteten
Erscheinungen habe ich vielfach auch im Binnenlande wahrgenommen, namentlich
was den Schall, die Todtenstille kurz vor dem eigentlichen Losbruch und die
schwachen thatsächlich gern violetten oder auch fahlweißen Blitze betrifft.
Doch kann jedes dieser Zeichen auch fehlen. Die Dunkelheit, welche beim
Herannahen des Wulstes sehr grofs sein kann, hört beim Eintritt des Regens
sehr plötzlich auf, eine Erscheinung, die wohl allgemein bekannt ist, aber doch
I) Die Entstehungsgeschichte der Gewitter ist noch so wenig aufgeklärt, dafs man vielleicht
statt von Wirbel- und Wärmegewittern vorläufig lieber von weitverbreiteten oder umfangreichen und
örtlichen Gewittern sprechen sollte.
% Schück, „Die Wirbelstürme“, Oldenburg 1881. S. 15 und 51 f.
) „Segelhandbuch für den Atlantischen Ocean“. Hamburg 1885. S. 137 u. ö.
‘) Wenigstens wird dieser Gebrauch in neuester Zeit immer üblicher.
) „Ann. d. Hydr. ete.“, Bd. 5, 1877, S. 132.
8) Vgl. hierzu Hann in der „Oesterr. Meteor. Zeitschr.“, Bd. 15, 1880, S. 435. Nach
Hann ist diese Masse gethürmter Haufenwolken von den Cumulostratus des Wolkenwulstes gut zu
unterscheiden, die Abgrenzungsform >= beruht nach ihm wohl auf elektrischen Zuständen. Man
achte darauf.