Ueber Gewitter und Gewitterbeobachtungen,
erinnerlich sein wird, der in unserem Sommer ein von W oder SW herauf-
ziehendes Gewittergewölk aufmerksam betrachtet hat. Aus dem vor Gewittern
meist dunstigen Horizonte, bemerkt Assmann, sondert sich meist ein dichter
an seinen vorderen Rändern zerfaserter Cirrusfilz langsam ab, welcher häufig
eine gewisse Höhe über dem Horizonte erreicht, ehe sich Cumuluswolken unter
demselben zeigen. Ganz ähnlich schildert Hann den Cirrusschirm nach seinen
Beobachtungen in Wien und Kremsmünster.!) Es können Stunden vergehen, bis
sich unter dem Cirrusfilz der eigentliche Gewitterherd zeigt, Hann glaubt,
dafs man an der scharfen oberen Begrenzung fast stets die Cirrostratuswand
eines entfernten Gewitters erkennen könne; ein weniger deutlich begrenzter
Wolkenschirm deute häufig nur allmählichen allgemeinen Regen an. Nach
meinen Wahrnehmungen glaube ich kaum, dafs man einen so bestimmten Unter-
schied aufstellen darf; es mag aber das Verhalten der Wolken am nordöst-
lichen Alpenvorlande von dem in Mitteldeutschland wohl abweichen. Auch
diesen Punkt empfehle-ich genauer Prüfung. Bemerkt man einmal gowitter-
drohende Cumulusmassen anscheinend ohne Cirrusschirm, so sehe man genau
zu, ob derselbe nicht durch die Köpfe der aufragenden Cumulusmassen zunächst
verdeckt wird und später doch noch zum Vorschein kommt, wie dies Assmann
in Halle am 26. Juni 1885 sicher beobachtet hat. Auch Fälle, wie ich sie oben
nach Wahrnehmungen im Schwarzwalde und im Alpenvorlande geschildert habe,
wären darauf zu untersuchen. Bei sehr schweren mit heftigem Sturm ver-
bundenen Gewittern beobachtete ich mehrfach (wiederholt im Juli 1884 in
Leipzig) eine eigenthümliche grobwollige Textur des Cirrusschirmes, welche
schwer näher zu beschreiben ist. Der Kontrast dieser weifsgrau erscheinenden
Zone mit den darunter schon hervortretenden ungewöhnlich dunkeln eigentlichen
Gewitterwolken ist sehr auffallend.?)
In den letzten Jahren ist der Cirrusschirm vielfach auch in den Nord-
europäischen Küstenländern sowie auf den Meeren der verschiedensten Zonen
gesehen worden, so dafs er in der That ein höchst bezeichnender Begleiter der
Gewittererscheinung genannt werden darf, aber gerade deshalb noch viel besser
untersucht werden mufs, Bei dem berühmten, von Köppen trefflich beschriebenen
Gewittersturm vom 9. August 1881 wird das Vorhandensein des Cirrusschirms
mehrfach konstatirt. Assmann berichtet u. A. an Köppen,°) dafs über der
schweren eigentlichen Gewitterwolke Cirrocumuli lagen. Mehrere andere
Schilderungen deuten gleichfalls darauf hin, lauten aber etwas unbestimmt, was
bei der Plötzlichkeit und Grofsartigkeit der ganzen Erscheinung, die ich in
Leipzig — wo sie noch allgemeines Aufsehen erregte und viel Schaden an-
richtete — beobachtete, wohl erklärlich ist. Wenige Tage später, am 14. Au-
gust, konnte Köppen bei einer neuen Böe wieder den Cirrostratusschirm,
„dessen vorderer aus verschiedenen Formen von Cirrus und Cirrocumulus be-
stehender Rand eben den Zenith passirte“, bei Mölln in Lauenburg sehr gut
beobachten und zeichnen.‘) Am 24. März 1878 passirte eine gewaltige Schnee-
böe einen grofsen Theil Englands. Sie sendete, von NNW gegen SSE ziehend,
eine Cirrusschicht bis 30km vor sich her. Elektrische Entladungen erfolgten
(soweit die Beobachtungen gesammelt sind) nicht bei dieser grofsen Böe, wohl
aber bei mehreren kleineren am gleichen Tage.°)
Nach Schück zeigen auf dem Atlantischen Ocean die sogenannten bogen-
förmigen Böen (s. u.) am oberen Rande bei Tage und bei Nacht ein helles
fast grelles Weifs.®*) Auch die übrigen Bemerkungen von Schück, obwohl sie
sich zunächst auf die an Wirbelstürmen reichsten Theile der Oceane beziehen,
passen vielfach recht gut auf die Erscheinungen bei Annäherung umfangreicher
4) „Oesterr. Zeitschr, f, Meteor.“, Bd. 15, 1880, S. 434 f. Vgl. auch die guten Bemerkungen
von Fritsch in derselben Zeitschrift, Bd, 12, 1877, S. 395.
2) Bisweilen erreicht das Gewitter den Beobachter gar nicht, dann sieht man nur ein Segment
von Cirrusfilz am Horizont. Fritsch sah einmal in Wien das Cirrussegment eines sich in Böhmen
entladenden starken Hagelwetters am nordwestlichen Horizont auftauchen. „Oesterr, Zeitschr. f.
Meteor.“, Bd. 3, 1868, S. 310 ff.
3) „Ann. d. Hydr, etc.“, Bd. 10, 1882, S. 602.
1) Ebenda S. 730.
5 „Ann. d. Hydr. etc.“, Bd. 7, 1879, S. 325.
5) „Ann. d. Hydr. ete.“, Bd. 5, 1877, S. 132.