Erdmagnetische Beobachtungen der internationalen Polarforschung 1882—83,
Die Besonderheit magnetischer Beobachtungen erfordert die Anlage
zweier getrennter und ausschließlich diesen Zwecken gewidmeter Observatorien,
von denen das eine, das Variationsobservatorium, zum Studium der fortlaufenden
Aenderungen dient, das andere dagegen erforderlich ist zur Ermittelung absoluter
Werthe, die zwar für sich allein nur den Werth magnetischer Ortsbestimmungen
haben, welche aber fortlaufend nothwendig sind zur Kontrole der erstgenannten
Beobachtungen. Diese Kombinirung zweier Beobachtungsgattungen fordert einer-
seits eine umfangreiche Ausrüstung der Stationen in instrumenteller Beziehung,
andererseits erhöht sie die Schwierigkeiten magnetischer Forschungen und
erfordert namentlich in den Polar-Regionen durchaus geübte und gewandte
Beobachter,
Wenn Deutschland die Mittel und Kräfte fand, eine Expedition nach dem
Norden, eine zweite nach dem Süden auszusenden, so war dies bei der kurzen
Vorbereitungszeit nur der gröfsten Anstrengung aller Kräfte zu verdanken. Die
Resultate der beiden Stationen, die jetzt in Gestalt von zwei stattlichen Bänden
vor uns liegen, zeigen, dafs jene Bemühungen mit Erfolg gekrönt worden sind,
und dafs Deutschland in dem internationalen Wettbewerb eine würdige Stellung
erringen wird, Wir verhehlen uns dabei keineswegs, dafs in mancher Beziehung
noch Mängel vorhanden sind: beispielsweise haben sich einzelne erdmagnetische
Apparate für Polar-Regionen nicht genügend gebrauchsfähig gezeigt, auch fanden
sich noch Lücken in der Ausbildung der Reduktionsmethoden; dies alles aber
sind Unvollkommenheiten, die auch auf anderen Stationen empfunden sind, und
die geringfügig genannt werden können, wenn man bedenkt, dafs eine systema-
tische erdmagnetische Forschung Jahrzehnte lang brach gelegen hatte.
Was ist, so werden wir jetzt fragen, der Erfolg aller dieser Bemühungen?
Werden sie uns die gewünschte Aufklärung über das Wesen des Krdmagnetismus
verschaffen? Diese Frage kann zur Zeit in diesem Umfange nicht beantwortet
werden, aus dem Grunde, weil noch nicht die Resultate aller Stationen bekannt
geworden sind; wohl aber können wir uns jetzt schon über die Wege klar
werden, die zur Lösung jener Frage eingeschlagen werden müssen.
Der Gang der Untersuchungen hat sich zuerst auf die Ermittelung der
regelmäfsigen wie unregelmäfsigen Erscheinungen zu erstrecken, um darauf den
Zusammenhang derselben mit den begleitenden Phänomenen — Polarlichtern,
Erdströmen und Sonnenflecken — zu betrachten und endlich auf die jenen KEr-
scheinungen zu Grunde liegenden kosmischen und terrestrischen Kräfte einen
Schlufs zu thun.
Zur ersten Frage muß bemerkt werden, dafs es zur Zeit noch nicht
möglich ist, eine vollständige Erklärung des Begriffs „Störung“ — so nennt man
die unregelmäfsige Erscheinung — zu geben. Infolge dessen ist es schwierig,
die genannten beiden Arten von Aenderungen zu trennen, zumal dieselben in
den Polar-Regionen mehr als anderswo gemischt auftreten und eine auf die
andere entstellend einwirken. Halten wir als regelmäfsige Erscheinung die
tägliche, periodisch verlaufende Aenderung im Stande der erdmagnetischen
Elemente fest, so müssen wir folgerichtig jede Abweichung von diesem täglichen
Gange als Störung bezeichnen, und es würde leicht sein, beide Arten zu trennen,
wenn wir den täglichen Gang mit Sicherheit ermitteln könnten. Derselbe ist
aber in seiner Amplitude jeden Tag ein anderer und tritt selten, in Polar-
Regionen fast nie, rein zu Tage, sondern ist mehr oder weniger durch Störungen
beeinflufst. Das Mittel aus allen Tagen eines Monats giebt Werthe jener täg-
lichen Periode, die nur als erste Annäherung betrachtet werden können, und
die man der weiteren Bearbeitung zu Grunde zu legen hat, um den ungestörten
Gang rein darzustellen. Ein gewisses ähnliches Verhalten liegt bei den meteoro-
logischen Elementen vor, die hier noch nicht für zweckmäfsig erachtete Aus-
scheidung von Störungen ist bei erdmagnetischen Untersuchungen unumgänglich
nothwendig, da ohne dieselbe die Perioden verschiedener Orte nicht vergleichbar
sind. Zudem ist die Amplitude derselben nicht nur in verschiedenen Jahres-
zeiten wesentlich verschieden, sondern schwankt von Tag zu Tag, zeigt schneller
und langsamer verlaufende, zum Theil auch auf Jahre sich erstreckende Perioden.
Um die Ursachen dieses Verhaltens zu entdecken, darf man sich nicht auf die
Betrachtung von Mittelwerthen beschränken, sondern mufs die Reihe der Einzel-
werthe verfolgen; so z. B. ist ein Zusammenhang der Gröfse der täglichen
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