Ann. d. Hydr. ete., XV. Jahrg. (1887), Heft IV.
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Die erdmagnetischen Beobachtungen im Systeme der internationalen
Polarforschung 1882—83. )
Von Dr. M. Eschenhagen, Assistent der Deutschen Polar-Kommission,
Unter den wissenschaftlichen Fragen, die in den Polar-Regionen ihre
Lösung zu finden hoffen, darf die Erforschung des Erdmagnetismus, als des-
jenigen Theiles der Physik der Erde, der in jenen unwirthlichen Regionen seine
Heimath findet, in erster Linie genannt werden; es war daher selbstverständ-
lich, als im Jahre 1882 eine Auzahl von Expeditionen ausgesandt wurde, um
zu systematischer Forschung ein Netz von Stationen um die Pole der Erde zu
bilden, dafs die Anstellung erdmagnetischer Beobachtungen zu einem Haupt-
punkte des nach internationaler Vereinbarung ausgearbeiteten Programms ge-
hörte. Unsere Kenntnifs arktischer magnetischer Verhältnisse verdankten wir
bis zu jener Zeit den zu geographischer Erforschung der Polar-Regionen aus-
gesandten Expeditionen, die, oft zu unfreiwilliger Mufse im Streben nach der
Erreichung ihres Zieles verurtheilt, erdmagnetische Beobachtungen, so voll-
ständig, als es ihre Hülfsmittel und ihre Kräfte erlaubten, anstellten, an den
Orten, wohin das Geschick sie geführt hatte. Die auf diese Weise gewonnenen
Resultate erwiesen sich als schätzbar für unsere Kenntnifs der Vertheilung des
Erdmagnetismus über die Erdoberfläche, auch boten sie Gesichtspunkte dar zur
Beurtheilung einiger die Veränderungen jener Kraft berührenden Fragen. Den
im Jahre 1882 für die Dauer eines Jahres au mehr oder minder leicht erreich-
baren Punkten errichteten Stationen war die Aufgabe gestellt, Material zu
sammeln für das Studium ‚der regelmäfsigen wie unregelmäfsigen Variationen
des Erdmagnetismus, und der gemeinsame Beobachtungsplan war in der richtigen
Erkenntnifs aufgestellt, dafs jene Absicht am zweckmäfigsten erreicht werden
würde durch gleichzeitig angestellte Beobachtungen an systematisch vertheilten
Punkten. Die älteren, auf Forschungsreisen gewonnenen Erfahrungen boten
eine schätzbare Grundlage sowohl für die Art der anzustellenden Beobachtungen
wie für die instrumentelle Ausrüstung.
Die Aufgabe bestand jetzt also nicht darin, die Kenntnifs der Gesammt-
vertheilung des Magnetismus der Erde zu erweitern — denn dieser Theil bleibt
den Entdeckungsreisen überlassen — sondern im Studium der Veränderungen
jener Kraft und der sie begleitenden Phänomene. Es war deshalb im erd-
magnetischen Programm die Anstellung stündlicher Beobachtungen zur Unter-
suchung des regelmäfsigen Verlaufs und von Termin- und Störungsbeobachtungen
zur Erforschung kleinerer wie gröfßserer Aenderungen unter die obligatorischen
Arbeiten aufgenommen. Gleichzeitig sollten die Polarlichterscheinungen beob-
achtet und eventuell auch Erdstrombeobachtungen angestellt werden. Dabei
war es als wünschenswerth bezeichnet, dafs die Stationen mit möglichst gleich-
artigen Instrumenten ausgerüstet sein sollten, und um die erforderliche Gleich-
zeitigkeit der Terminablesungen an den Variations-Instrumenten zu sichern,
wurde für dieselben Göttinger Zeit — in pietätvoller Erinnerung der Verdienste
des Göttinger magnetischen Vereins und seiner Leiter — als gemeinsame
Beobachtungszeit gewählt.
1) Vortrag, gehalten in der Sitzung des Zweigvereins der Meteorologischen Gesellschaft in
Hamburg am 5. März 1887.