Ann, d. Hydr. ete., XV, Jahrg. (1887), Heft L_
Ueber Gewitter und Gewitterbeobachtungen.
Von Prof. Dr. F, €. Halın in Königsberg £, Pr.
Alle Beobachtungen über Gewitter und verwandte Erscheinungen können
in drei Gruppen zusammengefafst werden. Der Beobachter auf einer festen
meteorologischen Station wird das Verhalten seiner Instrumente während des
Gewitters verfolgen und seine Schlüsse daraus ziehen. Die in neuester Zeit
mindestens für einen Theil von Mitteleuropa merklich angewachsene Zahl der
zündenden Blitzschläge wird andere Beobachter veranlassen, den Wirkungen
des Blitzes bei seinem Uebergange zur Erde nachzuforschen, die Art der vom
Blitze angerichteten Verheerungen kennen zu lernen und auf verbesserte Schutz-
mittel dagegen zu Sinnen.
Ein dritter Kreis von Beobachtern stellt sich die Aufgabe, jede, - auch
die unscheinbarste Einzelheit in der äufseren Erscheinung des Gewittervorganges
yenau zu beobachten und aufzuzeichnen. Nur an diese letzte Gruppe von Beob-
achtern wenden sich die nachfolgenden Betrachtungen und Vorschläge, welche
dazu beitragen sollen, dafs der noch immer recht kleine Kreis wirklich zuver-
lässiger Beobachtungen über die äufsere Erscheinung der Gewitterwolken, Form
des Blitzes, Wetterleuchten, St. Elmsfeuer, leuchtende Wolken u. s. w. möglichst
vermehrt werde. Es sind dabei eine Reihe eigener Beobachtungen und Er-
fahrungen verwerthet und aus der Literatur eine Anzahl bezeichnender Berichte
hervorgehoben und besprochen worden. Daraus ergeben sich dann die Probleme,
welche der Lösung am dringendsten bedürfen, die Lücken, welche durch unab-
lässige sorgsame Beobachtung ausgefüllt werden müssen. Wenn der theoretische
Theil der Gewitterkunde noch immer nicht ganz fest gegründet ist, wie der
noch fortdauernde Streit der Anschauungen beweist, so muls in erster Linie die
geringe Zahl der wirklich brauchbaren und anerkannten Beobachtungen dafür
verantwortlich gemacht werden. Ich sage absichtlich: der wirklich brauch-
baren, denn gerade bei den Gewitterbeobachtungen laufen Täuschungen mancher
Art unter, die theils in den Erscheinungen selbst, theils in der Person des
Beobachters ihren Sitz haben. Es wird sich mehrfach Gelegenheit bieten,
hierauf zurückzukommen und Fehlerquellen, welche die Beobachtungen zu trüben
geeignet sind, zu besprechen und zu ihrer Vermeidung anzuleiten. Jeder Beob-
achter sollte in seinen Berichten genau dasjenige, was er ganz sicher beobachtet
hat, von dem weniger gesicherten unterscheiden, er wird den Benutzern seiner
Berichte viel Arbeit dadurch ersparen und Verwirrung verhindern, Er sollte
weiter jede Wahrnehmung möglichst bald aufschreiben und, wo nöthig, durch
Zeichnungen, die nicht kunstvoll zu sein brauchen, unterstützen; verschiebt man
die schriftliche Fizxirung des Wahrgenommenen auch nur auf den folgenden Tag,
so hat sich das Bild der Erscheinung oft schon getrübt, und Einzelheiten gehen
verloren. Man sollte endlich die Berichte über Gewittervorgänge nicht in wenig
bekannten Schriften und Jahrbüchern kleinerer wissenschaftlicher Vereine ver-
graben, sondern verbreiteteren Zeitschriften überweisen, falls nicht etwa für das
Gebiet des Beobachters schon eine planmäfsige Sammlung von Gewitterbeobach-
tungen stattfindet. Im Deutschen Reiche wird der Gewittererscheinung nament-
lich in Bayern, Württemberg, Königreich Sachsen, Provinz Sachsen und Nachbar-
yebieten, endlich in Schleswig-Holstein besondere Aufmerksamkeit gewidmet.