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Full text: Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie, 15 (1887)

Reisebericht der Deutschen Bark „Patagonia“. 
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Sturmbesan zu setzen, Um diese Zeit hatte die Gewalt des Orkanes schon etwas 
nachgelassen, sonst wäre dieses Segel auch höchstwahrscheinlich weggeflogen. 
Ich erachte es indefs für einen günstigen Umstand, dafs die Segel zerrissen, 
denn sonst hätte möglicherweise das Schiff, welches platt auf der Seite lag, so 
dafs die Nocken der Unterraaen das Wasser berührten, kentern können. Selbst 
die festgemachten Segel lösten sich unter den Beschlagzeisingen und zerrissen 
in Fetzen. 
Es ist dieses der vierte, aber jedenfalls der schwerste Orkan, den ich 
mit der „Patagonia“ durchgemacht habe. Sollte cs sich wieder ereignen, dafs 
ich bei ähnlichen Wetteranzeichen wie dieses Mal dicht unter der Küste von 
Mexiko stände oder selbst gar in Mazatlan vor Anker läge, so würde ich so 
rasch als möglich viel Seeraum zu gewinnen suchen. Mehrere Tage mit Wind- 
stille, eine hohe Dünung und eine Bank . beim Sonnenuntergang im Südosten 
sind sichere Zeichen eines herannahenden Sturmes, und man sollte unter diesen 
Verhältnissen die hohe See zu erreichen streben, Auf das Barometer kann man 
sich meistens wenig verlassen, denn dieses hält seinen gewöhnlichen Stand bis 
kurz vor dem Eintritte des Orkanes, um dann sehr rasch zu fallen. Bei dem 
letzten Orkane fiel unser Barometer innerhalb einer Stunde um etwa 10mm 
und stieg dann, wie schon bemerkt, ebenso rasch wieder. Gewöhnlich beginnt 
das Unwetter mit SE-Wind, der, nachdem das Minimum passirt ist, auf SW 
holt und um so gefährlicher ist, als er gerade auf die Küste zu weht. 
Nachdem wir vom 4, bis 9. Oktober bei Priastla Point auf unsere Order 
gewartet hatten, konnten wir auf dieselbe hin am 10. Oktober endlich in den 
Hafen von Mazatlan einlaufen. Am 13. und 14. Oktober stellte sich bereits 
wieder .eine südliche Dünung ein, und am Nachmittage des letztgenannten Tages 
fiel das Barometer von etwa 760 auf 757mm, auf welchem Stande es sich hielt. 
Die Luft war schwül und drückend, ein Zustand, der auch noch am Abend 
blieb, so dafs Kapt. Jäger von der Deutschen Bark „Ksmeralda“, Kapt. Ohn- 
sorg von der Deutschen Bark „Henriette Behn“ und ich den Ausbruch eines 
Gewitters mit Regen vermutheten. In der folgenden Nacht trat dann auch um 
3 Uhr eine leichte Regenböe ein, der um 4 Uhr eine zweite folgte, weshalb 
wir uns veranlafst sahen, die Sonnensegel festzumachen, ohne indels wegen 
einer ernsteren Gefahr besorgt zu sein, besonders auch deshalb nicht, weil das 
Barometer mit Tagesanbruch wieder bis 760,5 mm (unreduecirt) gestiegen war. 
Trotz alledem setzte um diese Zeit der Wind steif von SE ein. Kin Flüchten 
nach See war aber wegen der hohen südlichen Dünung nicht mehr ausführbar. 
Schon um 9'%* a. m. den 15. Oktober brach die Kette der „Henriette Behn“, 
was den totalen Verlust dieses Schiffes zur Folge hatte. „Patagonia“ lag um 
diese Zeit mit 108m (60 Fad.) Kette aus, als wir aber sahen, dafs die „Henriette 
Behn“ im Treiben war, liefsen wir auch den zweiten Anker fallen, schäkelten 
die Enden der beiden Ketten aufeinander und steckten dann auf beiden Seiten 
soviel Kette aus, als vorhanden war. Die See war um diese Zeit bereits derart 
aufgeregt, dafs die beiden vor Anker liegenden Schiffe „Esmeralda“ und 
„Patagonia“ häufig den Bug unter. Wasser setzten, obgleich der Wind durch- 
schnittlich die Stärke 6 nicht überschritt und nur in den gelegentlichen Böen 
von kurzer Dauer die Stärke 7 erreichte. Von 2* p. m. an nahmen Wind und 
See ab, Ersterer war um 4" p. m. bereits soweit abgeflaut, dafs das Schiff 
wieder auf den Strom schwaite, quer gegen die See, die noch immer hoch war. 
Das Schiff rollte infolge dessen furchtbar, und zwar in dem Mafse, dafs die 
See über das Halbdeck hinweglief und das Oberlicht der Kajüte zertrümmerte, 
Die Ladung war gut gestaut und konnte nicht übergehen, und da Auker und 
Ketten keinen nennenswerthen Druck_auszuhalten hatten, so war die Gefahr für 
uns vorüber. 
(In dem Orkane, welcher am 3. und 4. Oktober 1883 in Mazatlan anuf- 
trat und in welchem hier das Deutsche Schiff „Paladin“ durch Strandung 
verloren ging, mufste das andere Deutsche Schiff, die Bark „Harmodius“, die 
Masten. kappen, weil infolge des furchtbaren Rollens des Schiffes, nachdem der 
Sturm etwas nachgelassen, die Ladung übergegangen war.) ') ; 
VS. ‚Ann. d. Hydr. etc.“, 1884, S. 624 u. 625. 
JM
	        
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