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Einige Bemerkungen über Ronen im August 1885.
Einige Bemerkungen über Rouen im August 1885.
Von Kapt, C. Ringe, Führer der Deutschen Bark „Jupiter*.
(Mittheilung vom der Deutschen Seewarte,)
Die Lotsen der Seine trifft man gewöhnlich nur dicht vor der Mündung
dieses Flusses oder bei Kap de la Hive an. Eigene Lotsenfahrzeuge haben die-
selben nicht, sondern sie befinden sich an Bord der Havre-Lotsenboote, welche
bekanntlich Kuttertakelung haben und weiß mit schwarzer Borde angestrichen
sind. Sie führen in dem Grofssegel eine groöfse schwarze Nummer mit einem
Anker und dem Buchstaben H und als Lotsenflagge die Französische Trikolore.
Wenn ein Rouen-Lotse an Bord ist, so zeigt der Kutter aulserdem eine vier-
eckige (quadratische) rothe Flagge mit einem weifsen Anker, und wenn ein
Honfleur-Lotse anwesend ist, eing blaue Flagge mit einem weilsen Anker. Man
hat den ersten Lotsen, der seine Dienste anbietet, zu nehmen, denn thut man
dieses nicht, so verfällt man in Strafe und hat später das doppelte Lotsengeld
zu entrichten. Die Seine-Lotsen erhalten kein Distanzgeld, und es ist deshalb
gleichgültig, ob sie bei Barfleur oder Kap de lia Höve an Bord kommen, Als
Signal für einen Rowen-Lotsen dient die Lotsenflagge im Grofstop. Für tief-
gehende Schiffe ist die Barre vor und in der Mündung der Seine nur bei Hoch-
wasser und kurz vor oder nach Neu- und Vollmond passirbar. Der Wasserstand
daselbst, welcher aber viel von der herrschenden Windrichtung abhängig ist,
beträgt dann 5,4 bis 6,9 m (18 bis 23 Fuls engl.). Mit dem Winde von N bis
NW steht eine ziemlich bedeutende Düänung auf der Barre, was beim Passiren
der letzteren wohl zu beachten ist. „Jupiter“ kam zwei Tage vor der Spring-
tide über die Barre, und obwohl nach der Versicherung des Lotsen und des
Führers des Schleppdampfers eine hinreichende Wassertiefe vorhanden war,
stiela das Schiff doch mit einem Tiefgange von 5,8 m (19,5 Fuls) mehrere Male
heftig auf den Grund, weil auf der Barre eine höhere See stand, als anfänglich
erwartet war.
In neuerer Zeit sind Schiffe mit einem Tiefgange von 6,3 m (21 Fufs)
nach Rouen hinauf gefahren; doch geht dieses für solch tiefgehende Schiffe,
auch nachdem die Barre passirt ist, nicht ohne Zeitverlust an, da sie vicht in
einer Tide Rowen erreichen können, sondern gewöhnlich bei Duclair ankern
müssen, um auf den genügenden Wasserstand mit der folgenden Tide zu warten,
In Rouen tritt der höchste Wasserstand zwei bis drei Tage nach Neu- und
Vollmond ein und der Gezeitenunterschied beträgt etwa 1,5m (5 Fuß). Der
Seelotse bringt das Schiff nach Fıillequier, woselbst der Revierlotse für Rouen
an Bord kommt. Ausgehend bekommt das Schiff drei Lotsen: einen für die
Strecke von Rouen bis Villequier und den zweiten von dort bis Quilleboeuf,
woselbst der Seelotse an Bord kommt.
Ohne einen Schleppdampfer ist es natürlich für ein Segelschiff unmöglich,
nach Roxen zu kommen. Im vorigen Jahre bestanden zwei Schleppdampfer-
gesellschaften, welche sich gegenseitig Konkurrenz machten; jetzt inde[s schleppen
nur die Dampfer der Abeilie-Kompagnie, welche ihren Sitz in Havre hat, die
Segelschiffe nach Rouen hinauf und von dort zurück, Die genannte Gesellschaft
besitzt sieben gute Schleppdampfer, von denen der gröfste („Abeille No. 9%)
600 Pferdekräfte besitzt und gewöhnlich für das Schleppen gröfserer Schiffe
auf der Seine benutzt wird. Der Schlepplohn ist sehr hoch und beträgt ein-
kommend 2 Fres. für die ausgelieferte (ranzösische Tonne gleich 1000 kg, wovon
aber dem Schiffe durch den N adenpeewpfänger die Hälfte zurückerstattet wird.
In Ballast einkommend ist der Schlepplohn 1'/4 Fres. für die Rogistertonno,
ausgehend mit Ladung beträgt derselbe 1 Fre. für die französische Tonne und
in Ballast %4 Fre. für die Registertonne. Im Falle der Schleppdampfer ein
nach Rowen bestimmtes Schiff schon auf See ins Schlepptau nimmt, wurden bis
jetzt Eixtrakosten nicht berechnet.
Rouen liegt am rechten Ufer der Seine und seine Quais dehnen sich an
beiden Flulsufern in einer Länge von nahezu 2 km ans. Eine Anzahl beweg-
licher Dampfkrähne, sowie ein Elevator mit Dampfbetrieb sind auf denselben
vorhanden, doch fehlt bis jetzt noch ein grofser Krahn, der schwere Lasten zu
heben vermag. An den Quais beträgt die Wassertiefe bis zu 6,6 m (22 Fuß).