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Full text: Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie, 14 (1886)

Die Insel St. Thomas, Westindien. 
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Die Insel St. Thomas, Westindien. > 
Nach dem Bericht des Schulgeschwaders, Geschwader-Chef Kommodore Stenzel. 
(Hierzu Tafel 9) 
Allgemeines. Der Charakter der Insel, sowie des Handels- und 
Schiffahrts- Verkehrs in dem vortrefflichen Hafen hat sich seit Aufhebung 
der Sklaverei bezw, seit dem Ueberhandnehimnen der Dampfschiffahrt völlig 
geändert. Die Insel, obschon bergig und nicht sehr fruchtbar, war früher doch 
zröfstentheils bebaut, meist mit Zuckerrohr; seit der Freigebung der Sklaven 
aber ist der Arbeitslohn so sehr gestiegen und andererseits der Preis des 
Zuckers so sehr heruntergegangen, dafs die Pflanzungen mehr kosten, als sie 
ainbringen. Der Tayelohu der Neger beträgt in der Stadt beim Beladen und 
Löschen der Schiffe n. s, w. 1—1'% Doll, oder 4—5 sh. täglich; auch Frauen 
können so viel verdienen. Dieser Verdienst, zu dem sich allerdings nicht 
immer Gelegenheit bietet, reicht bei den geringen Bedürfnissen der Leute für 
mehrere Tage; sie gehen dann lieber mülsip, als daß sie sich zur Feldarbeit 
bequemen, für welche freilich auch nur der dritte oder vierte Theil gezahlt 
werden kann. Infolge dessen hat die Bebauung des Bodens fast gauz aufl- 
gehört, auch Vieh wird mr wenig gehalten. Dieses sowohl, wie sonstiger 
Irischer Provinnt, Früchte, Gemüse etec., werden Yon der nahe gelegenen Spa- 
nischen Insel Bi&que, von St. Croix, St. Johns und Portorico eingeführt. Die 
Verbindung wird durch Segelschoner vermittelt. 
{u kommerecieller Hinsicht ferner war der Hafen von St. Thomas früher 
der Mittelpunkt für den Handel von Westindien und den Küsten Süd- und 
Mittel-Amerikas vom ÖOrinoco bis zum Rio Grande del Norte; jetzt ist der Ver- 
kehr von Europa und den Vereinigten Staaten nach allen diesen Gegenden ein 
Jirekter, und eigentlicher Handel besteht in St. Thomas gar nicht mehr; es iat 
vielmehr nur noch Ausrüstungshafen für passireunde Dampfer und im Vorbei- 
gehen anlegende oder havarirte Schiffe. Außerdem laufen noch frachtsuchende 
Kauffahrer in Ballast an, weil die centrale Lage des Hafens dem Zusammen- 
Biefsen aller Nachrichten über den Bedarf an Schiffsraum, wie dem Versegeln 
der Schiffe nach den im Süden, Südwesten und Westen gelegenen Häfen Dank 
dem herrschenden Passatwinde besonders günstig ist, 
Mit dem Aufhören des Grofshandels haben auch die Deutschen die Insel 
zerlassen; zur Zeit ist nicht ein Deutsches Geschäft vorhanden. Im Uebrigen 
ist der Charakter der Einwohnerschaft ein ganz kosmopolitischer geworden, 
fast alle handeltreibenden Nationen und deren Mischlinge mit der Neger-Race 
sind vertreten. Man spricht die verschiedensten Sprachen, besonders Kuglisch, 
Spanisch, Französisch und Dänisch, die erstere ist die herrschende, Ebenso kaufen 
die verschiedensten Geldsorten auf der Insel um; die mafßgebende Münze ist 
nicht das Pfund Sterling, sondern der Dollar. Von Dänischem Gelde ist nur 
zchlechte Scheidemünze vorhanden. Die Bedeutung von St, Thomas liegt jetzt 
hauptsächlich darin, dafs es Stations- oder Knotenpunkt der wichtigsten nach 
Westindien führenden Dampferlinien ist. Die Hamburg-Amerikanischo Packet- 
fahrt -Aktien-Gesellschaft, die Compagnie Generale Transatlantique und die 
Royal Mail Steam Packet Company haben in dem Hafen besondere Werften und 
Kohlen-Niederlagen, Dafs die letztere Gesellschaft jetzt nicht mehr, wie bis 
vor Kurzem, einen um den anderen Postdampfer direkt von Southampton nach 
St. Thomas, sordern alle direkt nach Barbadoes gehen läfst, ist ein harter 
Schlag für erstere Insel; indessen laufen die interkolonialen Royal Mail-Dampfer 
jetzt regelmäfsig an, 
Die Stadt Charlotte Amalie hat sich seit den letzten 12 Jahren fast gar 
nicht verändert; auch die Einwohnerzahl, etwa 12000, ist dieselbe geblieben, 
Drtschaften giebt es aufserdem nicht auf der Insel, sondern nur einzelne Gehöfte 
3 
‚West India Pilot“, Vol. II, 1876, S. 148. 
‚Mer des Antilles“, 1875, S. 316. 
„The Navigation of the Caribean Sea“, Vol. IL 18377, 8. 408
	        
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