Allgemeines und physikalische Beobachtungen in Bezug auf Temperatur und Salzgehalt. 9201
Ganz ähnlich liegen die Verhältnisse hinsichtlich des Bodenwassers der
tiefen Norwegischen Rinne. Wir fünden dort auf den Stationen g bis z£
(Tabelle 1) Temperaturen von 7° bis 3,7°, bei den weiter nördlich in der
tiefen Rinne gelegenen Stationen aa und bb bezw. 6,2° und 6,0°, und 6,8° bei
ce und dd; dieselbe Temperatur ferner bei 7, während auf den nördlicheren
Stationen N, V, W und X nur Temperaturen von 7 bis 7,7° am Boden vor-
kommen. Es würde, wenn man nur die Temperaturen in Betracht zieht,
nicht gerade ausgeschlossen sein, dafs sich zwischen V’und W noch ein kälterer
Wasserzuflufs befindet‘), indels ist zu beachten, dafs auch nach Mohn’s Zusammen-
atellungen der Tiefentemperaturen der Fjorde Norwegens (Petermann’s Geogr,
Mittheilungen 1876, pag. 346) vom Hardanger Fjord bis zum Trondjem-Fiord
das Tiefenwasser wärmer ijat als in der Tiefe des Skagerrak,
Bei dieser Sachlage wird man jene niedrigen Bodentemperaturen im
gentralen Theile der Nordsee bezw. im Skagerrak als vom letzten Winter her-
rührend ansehen müssen, Wie die Temperaturabnahme nach der Tiefe durch
den KEinflufs der Winterkälte sich in einem Sülswasserbecken vollzieht bezw.
wie die Temperaturkurve von den Jahreszeiten beeinflufst wird, ist in einem
Vertikaltemperaturschnitt des ‚Attersee’s anschaulich gemacht, welcher nach
Simony’s Abhandlung „Ueber die Grenzen des Temperaturwechsels in den
tiefsten Schichten des Grundener und des Attersee’s“ in den Berichten der
Wiener Akademie der Wissenschaften — LXXI pag. 429 — auf Tafel I
wiedergegeben ist. Es ist daran erkenntlich, dafs die Herbstitemperaturkurve
des Sees viel Aehnlichkeit hat mit den gleichen Linien auf den Stationen X
und F des „Drache“ und noch mehr mit den benachbarten der „Pommeranta“
im Jahre 1872, welche in das Diagramm I mit aufgenommen worden sind.
Auch der Temperaturabfall auf den Stationen @ bis z des „Drache“ ist ein
ganz ähnlicher. |
Hiernach spricht die Wahrscheinlichkeit dafür, dafs die in Rede stehenden
relativ niedrigen Temperaturen nicht sowohl ans der (wie der Salzgehalt zeigt,
jedenfalls vorhaudenen) in gleicher Horizontalschicht fliefsenden Meeresströmung
vom Norden zu erklären sind, sondern durch Hinabsinken der im Winter stark
abgekühlten mehr oberflächlichen Schichten, Bestärkt wird diese Vermuthung
hinsichtlich des centralen Theils der Nordsee durch den Umstand, daß der
Salzgehalt bei den Stationen X, /F, 6, sowie bei cc bis Ak, nicht regelmälsig
nach der Tiefe zunimmt, sondern dafs mehrfach Schichten stärkeren von solchen
minderen Salzgehaltes unterlagert sind. Interessant ist dabei, dafs gleichwohl
diese Schichten sich im Gleichgewicht befinden, indem die absoluten specißschen
Gewichte ganz regelmäfsig nach der Tiefe zunehmen.
Das Hinahsinken der durch die Winterkälte abgekühlten Schichten der
Oberfläche in die Tiefe hat sich hinsichtlich des centralen Theils der Nordsee
wahrscheinlich nicht sehr fern von den Beobachtungsorten vollzogen, wie aus
dem an Oberfläche und in der Tiefe unter sich und mit der Umgebung wenig
differirendem Salzgehalt zu schließen ist. Im Falle der tiefen Norwegischen
Rinne ist diese Annahme jedoch unzulässig, denn der grofse Salzgehalt der
tieferen Schichten und der geringe der oberen schliefst die Möglichkeit des
Sinkens im loco aus, auch sind diese Schichten nicht bloßfs dem absoluten
zpecifischen Gewichte, sondern auch dem Salzgehalte entsprechend geordnet,
was darauf dentet, daß hier — in den unteren Schichten wenigstens — keine
erheblichen vertikalen Bewegungen stattgefunden haben. Da der Salzgohalt
1) Auf der „Pommeranra*“ fand man vor dem Korsfjord in 1X bis 237 Faden Tiefe Wasser
von 3° bezw. 0° C, das von wärmerem Bodenwasser (5,5° bis 5,9° C) unterlagert war. Achnliche
Unregelmäfsigkeit in der vertikalen Vertheilung, jedoch nicht so niedrige Temperaturen fand „Drache“
in der Nähe des Korsfjord auf Station W. Man könnte hieraus allenfalls den Schluls auf eine in
dieser Gegend befindliche Zuflufsstelle für das kältere Bodenwasser ziehen, indefs kann ebensowohl
das kalte Wasser hier durch das Niedersinken der im letzten Winter abgekühlten Oberflächenschicht
erklärt werden. Leider ist auf „Pommeranta* keine Feststellung des Salzgehaltes der kalten Schichten
erfolgt, welche die Entscheidung der Frage erleichtern würde, Was die Beobachtungen des „Drachke*
bei W anbetrifft, so bilden die Schichten der Überfläche, von 15, 30, 50 und 100 m eine Reihe mit
abnehmender Temperatur und ansteigendem Salzgehalt, und scheint das Grundwasser in 300 m davon
eine Fortsetzung zu sein; zwischen 100 und 300 m ist aber eine wärmere und salzärmere Schicht,
also bedeutend leichteres Wasser, eingeschoben, eine vorläufig ganz unerklärbare Anomalie, Man
möchte einen Beobachtungsfehler vermuthen.
Ann, 4, Hydr. ote., 1886, Heft YIL