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Full text: Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie, 14 (1886)

Orkan vom 14, Mai in Crossen und Umgebung, 
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Auf der Öder kenterten zwei Schiffe, und fand dabei die Familie des 
Schiffers Leonhard aus New-Zittau, bestehend aus den KEltern und drei 
Kindern, ihren Tod. Ein auf der Strafse befinudliches Kind wurde erschlagen. 
Gegenüber solchen Verheerungen treten die in den anderen Ortschaften 
verursachten Verwüstungen, so in Braschen, wo drei Scheunen zerstört und 
mehrere Gebäude schwer beschädigt wurden, in Deutsch-Sagar, wo eine Scheune 
zertrümmert wurde, in Rusdorf, wo eine Windmühle und zwei Gebäude zerstört, 
andere schwer beschädigt wurden, in Goscar und Kaähmen, wo eine Windmühle 
umgestürzt und mehrere Gebäude zum Theil grofse Beschädigungen erlitten, 
mehr in den Hintergrund, 
In den Forsten, den Gärten, am Inventarium und den Vorräthen sind 
überall die ärgsten Zerstörungen vorgekommen. Im Allgemeinen wird der im 
Kreise angerichtete Schaden auf mehr als 900000 Mark zu schätzen sein. Diese 
überaus schwer Heimgesuchten stehen mit Verzweißlung an den Trümmern ihrer 
Habe und sind lediglich auf die Hülfe Anderer angewiesen. In ihrem Namen 
wenden wir uns vertrauensvoll an mildthätige Herzen und bitten recht herzlich 
und dringend, die grofse Noth durch recht vielseitige und möglichst reiche 
Gaben lindern zu helfen, Gott der Herr möge es den freundlichen Gebern 
reichlich lohnen. Der Königliche Rentmeister Herr Kühne in Crossen ist 
bereit, die Liebesgaben in Empfang zu nehmen. Die Redaktionen aller Zeitungen 
werden ergebenst ersucht, diesen Hülferuf unentgeltlich aufzunehmen und 
Sammellisten zu eröffnen.“ 
Unterhalb der Unterschriften trägt dieser Aufruf noch die folgende Be- 
scheinigung: 
„Die Unterzeichneten haben heute durch specielle Besichtigung sich 
Ueberzeugung von dem vorbeschriebenen Umfange der Verwüstungen verschafft 
and befürworten angelegentlichst, dafs sich unsere Mitbürger in umfangreichster 
Weise bei Speudung von möglichst reichen milden Gaben betheiligen möchten, 
Crossen a. O., den 18. Mai 1886. 
Dr. Achenbach, Staateminister und Oberpräsident, 
von Heyden-Cadow, Regierungspräsident.“ 
Aus den umfangreichen Schilderungen des Crossener Wochenblattes 
mögen folgende für das Unwetter bezeichnende Auszüge folgen: „Kaum vier 
Minuten hat daa Unwetter gewüthet, aber diese kurze Spanne Zeit wurde zu 
einer Ewigkeit Allen, die die Katastrophe mit erleben mufsten. Wer in seiner 
Behausung war, konnte nur daran denken, sich und der Seinen Leben zu 
schützen, Alles, was um ihn her stürzte und fiel, mußte er seinem Schicksal 
überlassen, war es doch, als ob die Häuser in sich zusammenfallen wollten, 
um Alles unter ihren Trümmern zu vergraben. Dafs dabei nicht noch mehr 
Menschenleben, als wie schon gemeldet, zu Grunde gegangen sind, ist als ein 
Wunder zu betrachten, Verletzungen giebt es genug, auch Arm- und Schenkel- 
brüche sind zu verzeichnen. Menschen, die sich im Freien befanden, wurden 
hoch emporgehoben und dann wieder zur Erde gesetzt, ein Junge, der in der 
Nähe des Bobers Vieh hütete, wurde in der Luft mehrere hundert Schritt weit 
weggetragen, Leute, die die Brücken passirten, mufsten sich platt auf den Boden 
legen und an das Geländer anklammern. Den furchtbaren Knall, der den Sturz 
des Kirchthums begleitete, haben nur die Nächstwohnenden vernommen, allen 
Uebrigen ging derselbe in dem schrecklichen Getöse der Luft verloren. Giebel 
gtürzten ein, Decken brachen durch, Steine wurden in die Zimmer geworfen 
und die Möbel umhergeschleudert, bis sie theils zerbrochen, theils arg beschädigt 
liegen blieben.“ 
Ferner heifst 68: „Die Eckhäuser haben durchweg am meisten gelitten. 
Wie das Wetter seinen Weg genommen, läfst sich gar nicht sagen, da oft 
zwischen stark beschädigten Gebäuden solche stehen, die nur wenig Schäden 
aufweisen. Es scheint, als ob der mittlere Theil der Stadt, und zwar der 
Markt und die von Nord nach Süd laufenden Strafen, die mit ihren Häuser- 
fronten dem Wetter entgegenstanden (?), am meisten gelitten haben.“ 
Bei meinem Besuche der Stadt am 20. Mai war zwar sehr viel schon 
aufgeräumt, allein noch lagen vor ganzen Häuserreihen Wälle von zerbrochenen 
Ziegeln, Dachpfannen und Mörtelschutt, welche gröfstentheils von den ins Innere 
der Häuser gestürzten Schornsteinen und Dachtheilen herstammten.
	        
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