Skip to main content

Full text: Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie, 14 (1886)

260 
Orkan vom 14. Mai in Crossen und Umgebung. 
die Situation sich wesentlich änderte und an der Westküste Europas eine 
Depression erschien. In den folgenden Tagen schritt diese, in unregelmäfsiger 
Gestaltung und zum Theil unter Ausbildung mehrerer Centren niedersten Druckes, 
über den Kanal nach der Nordsee, auf ihrer rechten Seite über den Britischen 
Inseln starke nördliche bis östliche Winde mit Regengüssen und, besonders in 
Mittelenglaud, aufserordentlich kühlem Wetter hervorrufend, Die Temperatur 
war daselbst 3—4° C unter der normalen, am 12. erreichte selbst das Maximum 
zum Theil nur 4° C; im südlichen Schottland fiel in den Bergen Schnee, und 
kamen die Schwalben zu Tausenden um, Die Regenmenge in den drei Tagen 
rom 11. bis 13, betrug im Gebiete des Severn an vielen Orten über 100 mm, 
and dort wie in ganz Centralengland waren ungeheure Ueberschwemmungen 
die Folge. 
So viel sich bis jetzt übersehen läfst, bildete sich au der Südseite dieser 
Depression in Spanien am 12. ein Theilminimum aus, in dessen Gefolge ein 
Orkan bei Madrid auftrat, und zog dieses Theilminimum über den Golf von 
Lyon nach Oberitalien, wo es am 14, gleichfalls von lokalen Gewitterstürmen 
begleitet war und am 15. sich allmählich ausglich. 
Auch an der Ostseite der grofsen Depression, im Innern von Deutsch- 
Jand, bildete sich schon am 12. Mai während der wärmeren Tagesstunden ein 
Aaches Theilminimum aus, das aber bis zur Nacht sich bereits wieder ausglich, 
ohne, so viel bekannt, von Gewittern begleitet gewesen zu sein, 
Der 13, Mai war in Deutschland ein trüber, regnerischer, mäßig warmer 
Tag mit vorwaltender schwacher bis mälsiger (nur in Borkum stürmischer} öst- 
licher und südlicher Luftströmung; nur im äufsersten Nordosten des Landes 
herrschte heiteres Wetter. In der Nacht darauf fand aber auch an der Weichsel- 
mündung wie in vielen anderen Gegenden Deutschlands Gewitter und Regen statt. 
Am Morgen des 14. Mai herrschte in einem langen Streifen von Cette 
über die Schweiz und Elsaß bis Berlin und Hamburg sowie weiter nördlich 
von Kopenhagen bis Skudesnes Regen, in Böhmen, Schlesien und Hinterpommern 
hingegen heiteres Wetter, Dadurch, dafs die Temperatur im Dreieck Perpignan— 
Calais— München (und in Bamberg) seit dem Vortage um 3 bis 6° gesunken, 
im Raume Wien—Swinemünde— Petersburg— Hermannstadt (und auch in Berlin) 
hingegen um 1 bis 8° gestiegen war (in Neufahrwasser um 7,7°}, hatte sich 
sine Temperaturvertheilung ausgebildet, welche jener am Morgen vor dem 
Gewittersturm am 9, August 1881 (s. diese „Annalen“ 1882, Taf, 21) ziemlich 
ähnlich war — an welchem Tage bekanntlich ebenfalls eine auf der Nordsee 
befindliche Depression ein Theilminimum (resp. eine Rinne) in Deutschland ent- 
wickelte. Die Temperatur nahm nämlich von Ostdeutschland südwestwärts, der 
allgemeinen südwestlichen Luftströmung, welche in einiger Höhe über dem 
Meeresspiegel herrschen mulste, entgegen, ziemlich rasch ab, um 8a. m, von 
17° in Breslau, Gründerg, Rügenwaldermünde und Neufahrwasser, bias 9° in 
Altkirch und Kaiserslautern und nur 7° in Clermont (hier übrigens eine Stunde 
früher gemessen), 
N Onter diesen erfahrungsgemäfs für die Bildung von Gewittern sehr 
günstigen Umständen fanden schon am Morgen des 14. in Centraldeutschland 
leichte Gewitter statt; Nachrichten liegen uns vor ans Bamberg (7 40° a. m.), 
Berlin, Frankfurt a. 0. (1l*a.m.) und Beutnitz (zwischen 10* und 11%), am 
letzteren Orte wurde dabei starker Westwind beobachtet, in Frankfurt kurzer, 
a Regen. 
er Nachmittag brachte alsdann das grofse Gewitter an der Rückseite 
des Theilminimums in Ostdeutschland; dieses Gewitter war in bedeutender Aus- 
dehnung — mindestens auf dem Raume zwischen Görlitz und Küstrin — von 
Sturm und Hagelschlag begleitet (von letzterem anscheinend mit freibleibenden 
Lücken dazwischen), aber nur an einer 1—2 km breiten Stelle von verheerendem 
Orkan, welcher auf seiner Bahn auf einer Strecke von 32km Verwüstungen 
ron theilweise ganz ungeheuren Dimensionen anrichtete. Eine Uebersicht über 
die Ausdehnung und die Fortpflauzung dieses Gewitters wird sich erst unter 
Benutzung der Gewitterstationen des Königreicha und der Provinz Sachsen 
sowie der Preufsischen Beobachtungs-Stationen nach den Originalen bilden lassen. 
So viel ich durch Erkundigungen auf der Hin- und Rückreise feststellen konnte, 
scheint es erst an der Sächsischen Grenze entstanden zu sein, da sowohl in
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.