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Full text: Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie, 14 (1886)

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Die Marshall-Inseln, 
mögen nur ihren Kindern vererben, so werden letztero auch nur durch ihre 
Mütter hochgeboren, Für die Rangstnf© eines Kindes entscheidet stets der 
Stand, dem die Mutter angehört. Ist die Mutter eine Häuptlingsfrau, so ist 
das Kind ebenfalls Häuptling u. 8. w. 
Der Besitzlose muß im Allgemeinen sechs Monate im Jahre für den 
Besitzenden arbeiten, d. h, die Kokosnüsse von den Bäumen des Besitzenden 
einernten. Dafür giebt ihm der Besitzende ein Stück seines Landes, auf dem 
er sich seine Hütte bauen und dessen Erzeugnisse (Brodfrucht, Pandanus, Taro) 
er zum Lebensunterhalt nehmen kann. Nur die auf diesem Stück Land stehenden 
Kokosbäume gehören dem Besitzlosen nicht. Während der übrigen sechs Mo- 
nate des Jahres schlägt der Besitzlose die Kokosnüsse für sich selbst ab, mufs 
aber hiervon seinem Häuptling hin und wieder noch Abgaben liefern. 
Wie bereits angeführt ist, geht der König oder erste Häuptling einer 
oder mehrerer Inseln aus den reicheren Häuptlingen dieser Insel oder Inseln 
hervor, Er ist gewöhnlich der reichste, der den gröfßsten Grundbesitz und 80- 
mit das meiste Anrecht auf die Insel hat. Durch den größsten Grundbesitz ist 
ihm infolge des oben erklärten Verhältnisses zwischen Besitzenden und Besitz- 
losen auch die gröfste Anzahl der auf der Insel lebenden Besitzlosen untergeben. 
Versteht er es ferner, sich einen Anhang unter den anderen grofsen Häuptlingen 
zu verschaffen, dieselben von sich abhängig zu machen, 80 ist er gicher in 
seiner Stellung. Ueberwirft er sich jedoch mit einem oder einigen größeren 
Häuptlingen der Insel, oder erwirbt ein anderer Häuptling durch Geschenke 
oder Versprechungen ebenfalls einen grofsen Anhang, so versucht Letzterer, 
den ersteren Häupiling aus seiner Stellung zu verdrängen, Auf diese Weise 
kommt es oft zu Streitigkeiten, 
Krieg kann man die Art und Weise, wie die Eingeborenen gegen einander 
vorgehen, nicht nennen, denn der Marshall-Insulaner ist für gowöhnlich nicht 
kriegerisch, Befinden sich zwei Häuptlinge in Fehde, so suchen sie vor Allem 
sich gegenseitig ihre Besitzungen zu zerstören. Dies geschieht hinterrücks und 
bei Nacht, es kommt hierbei aber selten zu Thätlichkeiten. Eine Hauptwaffe 
bei den Streitigkeiten ist das Mundwerk: die Streitenden beschimpfen sich und 
schreien einander an, Es kommt auch vor, dafs sich eine Partei auf einem 
mit einer schnell errichteten Steinmauer umgebenen Platze verschanzt und dann 
von der anderen Partei belagert wird. Die hbelagernde Partei ist gewöhnlich 
die stärkere. Innerhalb der Mauern sind die Hütten ınit den Angehörigen der 
Streitenden. Letztere, zum Kriege (in ähnlicher Weise wie zum Tanze) ge- 
schmückt, etolziren zwischen den Hütten einher und wechseln über die Mauer 
hinweg Schimpfworte mit den Belagerern. 
Hier endet der Streit entweder damit, dals der Belagerer den Belagerten 
aushungert, so dafs Letzterer sich nach einiger Zeit ergiebt, oder daß der 
Belagerer, falls die Belagerten es aushalten, d. h. sich gut yerproviantirt haben, 
fortzieht. In jedem Falle werden aber- von dem Bolagerer die der anderen 
Partei gehörigen Kokosnulspalmen, Pandanus- und Brodfruchtbäume zerstört, 
ihre Hütten niedergemacht u. s. w. Eine Hungersnoth ist nicht selten die 
Folge eines solchen Kriegszuges. 
Während der Belagerung werden Stürme auf die Verschanzungen nicht 
unternommen, dagegen fallen die Belagerten hin und wieder aus und wählen 
dazu gewöhnlich die Nachtzeit, Es wird dann recht viel geschossen, jedoch 
ganz regellos; Todte bleiben bei solchen Gelegenheiten selten. 
Als Waffen haben die Eingeborenen in den Kämpfen ausschliefslich 
Feuerwaffen, die von den Fremden eingeführt sind. Man findet alle Arten und 
Konstruktionen von Flinten und Gewehren, vom ältesten Vorderlader bis zum 
neuesten Repetirgewehr, Die frühere Bewaffnung der Eingeborenen bestand 
aus €inem eiwa Zm langen Speer aus hartem Holz, der an beiden Enden zu- 
Kenpitzt und an dem einen noch mit rohen Einkerbungen versehen war. Diese 
alle ist zur Zeit nicht mehr in Gebrauch und auch fast gar nicht mehr zu 
bekommen. Steine wurden auch als Waffe in den Fehden benutzt. 
Fehden und Streitigkeiten aller Art sind bis jetzt sehr häufig gewesen 
und haben oft Jahre hindurch gedauert. Sie spielten sich auch nicht immer 
auf einer Insel ab, sondern es unternahmen Häu tlinge einer Insel Züge nach 
anderen Inseln, um auf letzteren festen Fuß zu kn
	        
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