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Full text: Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie, 14 (1886)

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Die Marshall-Inseln, 
Aufser den erwähnten Pflanzen gedeihen auf den Inseln noch Bananen, 
obgleich sehr kümmerlich, ferner der Momeapple, eine Art Melone, und Kür- 
bisse, welche aber von Eingeborenen wenig oder gar nicht gegessen werden. 
Von eingeführten Hülsenfrüchten hat der Reis den Vorzug. 
Frisches Wasser ist auf den Inseln sehr spärlich; die dort lebenden 
Europäer fangen Regenwasser künstlich auf und bewahren es in grofsen Cisternen, 
Der  kingeborene trinkt die Milch der jungen Kokosnufs, wenn er durstig ist, 
[risches Wasser kann er nur aus den auf den Inseln vorhandenen Grubenlöchern 
schöpfen, welche entweder von selbst sich gebildet haben oder von den Ein- 
geborenen gegraben worden sind. In solchen Löchern sammelt sich Regen- 
wasser an; dasselbe ist kurz nach einem Regenfall wohl ganz geniefsbar, steht 
es aber längere Zeit in einer Grube, so wird es sehr schnell brackig, da der 
poröse Boden viel Seewasser enthält, welches sich mit dem Grubenwasser 
schnell vermischt. 
Nahrungssorgen kennen die Eingeborenen nicht. Die Natur liefert ihnen 
genügende Nahrung, und liegt es lediglich an ihrer Faulheit, wenn sie täglich 
eine und dieselbe Speise zu sich nehmen müssen. Der Grundzug des Charakters 
des Marshall-Insulaners ist Faulheit und Gileichgültigkeit; heimtückisch und 
verschlagen ist er nicht, obgleich ihn der Fremde so vom ersten Ansehen 
beurtheilen könnte. Ebenso langsam, wie er in seinen Bewegungen des Körpers 
ist, so schwerfällig ist er auch in seinem Gedankengange. Es widerstrebt ihm, 
seine Gedanken einige Zeit lang mit einer Sache zu beschäftigen, eine Eigen- 
schaft, welche in den Unterhandlungen zwischen Fremden und Eingeborenen 
für erstere sehr unangenehm zu Tage tritt. Die geringste Kleinigkeit zieht 
den Sinn des Eingeborenen von dem Gegenstande der Unterhandlung ab. Ist 
die Unterbrechung vorüber, so hat er das Besprochene meistens wieder ver- 
gessen, und mufs ihm alles von Neuem erklärt und auseinandergesetzt werden. 
So nehmen solche Unterhandlungen oft ungeheure Zeit in Anspruch, und mufs 
der Fremde dabei vielfach grofse Geduld bewahren. 
Erziehung hat der Eingeborene nicht genossen, und den Unterschied 
zwischen „Gutem“ und „Bösem“ lernt er eigentlich nur durch das Leben, Ueber 
die Ehrlichkeit der Eingeborenen geht die Meinung der auf den Inseln lebenden 
Europäer auseinander. Jedenfalls ist es selten, daß ein Eingeborener, wenn 
er einen Gegenstand, dessen Bigenthümer er kennt oder vermuthen kann, findet, 
diesen abliefert. Er wird ihn in den meisten Fällen behalten. Auch nimmt er 
rielleicht frei herumliegende Sachen fort, sobald er dies unbeobachtet thun 
kann, dagegen ist Einbruch und Diebstahl aus verschlossenen Räumen ihm nicht 
vorzuwerfen. 
Der Wahrheit befleilsigt er sich nicht, sondern lügt wie gedruckt; 
er glaubt dabei stets, sich durch Lügen einen Vortheil verschaffen zu können, 
und sieht es nicht ein, dals der Fremde die geringe Glaubhaftigkeit seiner 
Erzählung sofort durchschaut. Das Laster der Trunksucht ist selten. Es 
kommt wohl hin und wieder einmal vor, dafs ein KEingeborener sich betrinkt, 
hieran ist aber dann stets der Fremde schuld, der ihm die Spirituosen geschenkt 
oder verkauft hat. Letzteres geschieht aber im Allgemeinen selten; die dort 
lebenden Fremden sind übereingekommen, den Eingeborenen keine geistigen 
Getränke zu verkaufen, auch haben einige Häuptlinge eine verhältnifsmälsig 
hohe Strafe auf Trunkenheit gesetzt. Den Eingeborenen schmecken auch die 
geistigen Getränke noch nicht, sie ziehen Wasser mit Himbeersaft vermischt 
und dergleichen vor. 
Trotz der Gleichgültigkeit, die ihnen in hohem Grade innewohnt, sind 
die Eingeborenen wiederum in gewissem Grade neugierig. Ist jedoch zur Be- 
friedigung ihrer Neugierde Arbeit zu verrichten, oder ist dies mit körperlicher 
Anstrengung verbunden, ist vielleicht ein langer Weg zurückzulegen oder Aehn- 
liches, so überwiegt die Faulheit die Neugierde, 
Der Eingeborene arbeitet sehr ungern und ist nur durch einen unver- 
hältnifsmäfsig hohen Lohn zu aufsergewöhnlichen Arbeiten heranzuziehen. So 
rerlangten die Arbeiter in Jalwit, welche zum, Einschaufeln und Zutragen der 
Kohlen an Land gemiethet wurden, bis zu einem Dollar Tageslohn und arbeiteten 
schliefslich für 1/2 Dollar pro Tag. Auf anderen Inseln ist es schon Yvor- 
gekommen, dafs Eingeborene für 2 Dollars Tageslohn nicht arbeiten wollten,
	        
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