Aus dem Reisebericht des Deutschen Dreimastschoners „Ventilia“.
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Bemerkungen über Rio de Janeiro, New-York, Iquique und Guayaquil,
Manta und Bahia de Caraquez in Ecuador.
Aus dem Reisebericht des Kapt. H. 0estmann yom Deutschen
Dreimastschoner „Ventilia“,
(Mittheilung von der Deutschen Seewarte,)
Rio de Janeiro. „Da einem in Rio seitens der Empfänger der Ladung
leicht Schwierigkeiten bereitet werden, so thut man gut, wenn sich beim Löschen
eine Beschädigung der Ladung zeigt, es dem Empfänger sofort anzuzeigen;
denn thut man dieses nicht, so ist jede Besichtigung, auch wenn sie von
kompetenten Personen ausgeführt wurde, werthlos. Ferner ist sehr zu empfehlen,
den an Bord dienetthuenden Zollbeamten zum Freunde zu halten. Es besteht
der Gebrauch, dem Zollbeamten ein Geldgeschonk zu geben, und geschieht dies
in der Regel für Rechuung des Schiffes durch den Konsignatär, Dieses Mal
hatte ich selbst die Auszahlung an den Beamten übernommen. Ich gab ihm
einen geringeren Betrag, als früher dafür gerechnet worden war, und doch
schien derselbe außergewöhnlich befriedigt zu sein.“
New-York. „Zur Winterzeit sind die Schiffe in New- York an manchen
Stellen sehr dem Eisgange ausgesetzt, besonders an den Pieren des North River,
sowie am East River an der Brooklyn-Seite. Da in der genannten Jahreszeit
der NW-Wind der vorherrschende ist, liegt man am besten an den Werften
unter New- York am East River, oder auch in dem Atlantic Dock in Brooklyn;
nur ist es im letzteren bei starkem Frost mitunter schwierig, zu verholen oder
herauszukommen, weil dasselbe nach Nordwesten offen ist und der herrschende
NW-Wind große Massen Eis hineinireibt, die dort zusammenfrieren. Hafen-
meister waren während meiner Anwesenheit nicht vorhanden. Jeder Schiffs-
[ührer verholt sein Schiff selbst, wann und wohin cs ihm beliebt, Dabei geräth
er natürlich leicht. mit den Führern der vielen Leichterfahrzeuge in Konflikt,
die nicht das Geringste thun, um ein Schiff vorbei passiren zu jassen. Infolge
des Mangels an Aufsicht beim An- und Abholen der Schiffe nach und von den
Werften entsteht begreiflicher Weise sehr oft Beschädigung.
Das Laden ist zur Winterzeit an vielen Werften, die nicht überdacht
sind, schlecht. Ganz besonders ist die Werfte No, 12 am East River, an der
moin Schiff lag, verrufen, namentlich auch aus dem Grunde, weil hier der
Abfuhrort des städtischen Unrathes sich befindet. An solchen Plätzen mufs
nothwendiger Weise die Ladung beschmutzt und beschädigt werden, noch bevor
sie das Schiff erreicht, und es wäre sehr wünschenswerth, wenn hierin bald
Wandel geschafft würde. Wird ein Schiff in New- York gegen eine Pauschsumme
befrachtet, so enthält die Chartepartie gewöhnlich die folgende Klausel: „Tho
Charterers Stevedore to be employed, at the costumary rate of 60 cts, p. ton“
— mit der Tonne ist die Malstonne gemeint. Wenn man betrachtet, was andere
gute Stauor erhalten, so erscheint dies aufserordentlich hoch. Der Befrachter
aber besteht auf seinem Recht, und iet dies ihm auch weiter nicht zu verdenken,
wenn er nur die Rate etwas heruntersetzen wollte; es scheint jedoch, dafs er
den enorm hohen Verdienst mit dem Stauer tbeilt. Wenn man schliefslich nur
noch gute Leute, auf die man sich verlassen könnte, zum Stauen der Ladung
an Bord bekäme. Leider ist aber auch dieses nicht der Fall. Ein Hamburger
Stauer würde seine Verwunderung darüber haben, wie in New- York die Ladung
gestaut wird, denn es ist eigentlich weiter nichts, als ein Hineinpacken, Der
Vormann (Master-Stevedore), den man manchmal gar nicht zu sehen bekommt,
irachtet gewöhnlich nur danach, soviel Ladung als irgend möglich in das Schiff
hinein zu bekommen und nimmt es daher mit der Garnirung nicht sehr genau.
In Fällen dagegen, wenn ein Schiff pro Tonne befrachtet ist und der Ablader
nicht die genügende Ladung hat, wird der Stauer Platz und Garnirholz ver-
schwenden, um nur das Schiff voll zu bekommen, Es ist vorgekommen, dafs
auf diese Weise !/4 des Raumes mit Stauholz gefüllt war. Mit einem Wort,
die Stauer handeln nur im Interesse des Befrachters, nicht in dem des Schifferg,
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