Ann. d. Hydr. ete., XII Jahrg. (1884), Heft II.
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Ueber Gewitter- und Hagelbildung.
Von.Dr. P. Andries, ;
(Schlufs von pag. 17.)
Ich wende mich jetzt zu der physikalischen Seite des Problems, speciell
zu den elektrischen Erscheinungen, und hoffe auch hier zu zeigen, dafs unter
Zugrundelegung der Wirbelbewegung und mit Hülfe einiger Sätze aus der
Elektricitätslehre die nothwendig sich ergebenden Schlufsfolgerungen mit den
beobachteten Thatsachen im Einklang stehen.
Zum Zwecke des besseren Verständnisses des Folgenden dürfte es nicht
überflüssig sein, einige Fundamentalsätze der Elektricitätslehre ins Gedächtnifs
zurückzurufen.
Ein allgemeiner Satz der Erfahrung ist der folgende Fundamentalsatz:
Bei jeder Berührung zweier heterogener Körper tritt an der Berührungsfläche
eine elektrische Spannung, d. h. eine Veränderung in der ursprünglichen Ver-
theilung der Elektricität der beiden Körper ein. — Entzieht man den Körpern
diese Elektricität, so stellt sie sich, wenn die Ursache der Elektrisirung, also
die Berührung, fortdauert, sogleich wieder her. Es bildet daher das kleinste
Paar einander berührender Körper eine unerschöpfliche Elektrieitätsquelle, die
so lange flielst, als von beiden dabei thätigen Körpern die Elektricität ab-
geleitet wird.
Ein zweiter Fundamentalsatz ist der folgende: Bei der elektrischen
Erregung treten stets beide Elektricitätsarten auf.) Ferner ist nicht blofs das
mechanische Zerreifsen vollkommen gleichartiger Körper, sondern auch das
gegenseitige Reiben der Bruchstücke eines und desselben Körpers eine
Quelle der Elektricität. Riess hat daher den Satz aufgestellt: Theilt man
einen durchweg gleichartigen Körper in zwei Theile und reibt diese an einander,
so wird Elektricität entwickelt. Es findet also eine Entwickelung von Elektriecität
statt, wenn vollkommen gleichartige Körper an einander gerieben oder von
einander getrennt werden. Dafls ein fester Körper durch Reibung an der Luft
elektrisch wird, hat Prof. Spring iu Lüttich durch das Experiment bewiesen.
Wurde Luft durch eine Metallröhre gegen die Messingkugel eines Goldblatt-
Elektroskops getrieben, so divergirten die Blätter bis zu 30°. Dabei divergirten
sie anfangs stark, fielen aber dann plötzlich zusammen, um von neuem zu
divergiren. Das Zusammenfallen läfst sich nur erklären durch eine momentane
Wiedervereinigung der Elektricitäten der Kugel und der Luft, ‚es ist dieselbe
Erscheinung, wie beim Gewitter. Das Experiment gelang aber auch ‘bei
feuchter Luft.
Ebenso kann man mit Hülfe des Lippmann’schen Kapillar-Elektrometers
den Nachweis führen, dafs die Bewegung eines Körpers in der Luft, sowie die
Zu- oder Abnahme seiner Geschwindigkeit die elektrische Spannung ändert, die
durch den Kontakt der Luft mit dem Körper erzeugt wird.
Wenn also ein Körper in irgend einer Weise in kleinere Theile zerlegt
wird, so mufs seine Kontaktfläche mit dem umgebenden Medium, sei dies nun
Luft, Wasserdampf etc., zunehmen, findet aber das Gegentheil statt, indem
sich die einzelnen Theile eines gleichartigen Körpers (Zusammenfallen‘ von
y S. P. Riess: „Die Lehre von der Reibungselektricität“, II, pag. 422, und II, pag. 361.