Die harmonische Analyse der Gezeitenbeobachtungen,
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„Es kann von Zeit zu Zeit passiren, dafs der Fluthmesser einige Tage
lang aufhört zu funktioniren, weil die Uhr stehen geblieben, das Zuleitungsrohr
verstopft oder irgend ein anderes Ereignifs eingetreten ist. In diesem Falle
wird in den Werthen von dh eine Lücke sein. Nun beruht aber das ganze
Verfahren auf dem Vorhandensein von 365 kontinuirlichen Werthen von dh;
sollen also die Beobachtungen dieses Jahres nicht geopfert werden, so mufs
die Lücke ausgefüllt werden. Wenn nicht mehr als drei oder vier Tage fehlen,
wird es am besten sein, die Werthe von dh auf jeder Seite der Lücke graphisch
aufzutragen, die Lücke durch eine aus freier Hand gezogene Kurve zu ergänzen
und die durch die Kurve gegebenen Werthe von dh zu benutzen. Ist der Aus-
fall an Beobachtungen von etwas längerer Dauer, so können verschiedene Ver-
fahrungsweisen angegeben werden, und es ist Sache des Urtheils, welche der-
selben man anwenden will.
„Ist eine andere Beobachtungsstation in der Nachbarschaft, so können
die Werthe von dh für diese Station eingesetzt werden.
„Man kann auch die Werthe von dh für einen anderen Theil des Jahres,
wo die Deklinationen von Mond und Sonne so nahe wie möglich dieselben sind
wie während der Lücke, benutzen. .
„Es kann indels vorkommen, dafs die Lücke von beträchtlicher Länge
ist, so dafs die vorhergehenden Methoden nicht anwendbar sind; wie dies z. B.
im Jahre 1882 für Vizagapatam eintrat, wo die Beobachtungen für 67 Tage
fehlen. In diesem Falle kann.das folgende Verfahren angewendet werden:
„Man suche genäherte Werthe für die Koeffieienten der Tiden von langer
Periode und fülle die Lücke aus durch die berechneten Höhen.
„Um diese genäherten Werthe zu finden, bilden wir die Xdh coslt und
Zöh sin It für die Tage, für welche Beobachtungen vorhanden sind, vernach-
lässigen in den 10 Normalgleichungen (D) alle Glieder mit kleinen Koefficienten
und substituiren für den Koefficienten des Hauptgliedes (ca 182,5) einen
Kogfficienten — 182,5 — die halbe Anzahl der Tage in der Lücke. So haben
wir z, B. für Vizagapatam im Jahre 1882 als Koefficienten des Hauptgliedes
182,55 — 12 >< 67 = 149 und daher genähert 149A — Xöh cos (o—@) t u. 8. W.
zu setzen, Nachdem man die genäherten Werthe für A, B, C, D u. s. w. ge-
funden hat, ist es leicht, die genäherte Höhe der Tide für die Tage der Lücke
zu berechnen. Dies Verfahren läfst sich auch anwenden, wenn die Lücke in
den Beobachtungen nur von kurzer Dauer ist.
„Man kann diese Methode anwenden, man mag mit reducirten oder
nichtreducirten täglichen Mitteln arbeiten, denn wenn die täglichen Mittel nicht
reducirt sind, wie es in Zukunft gehalten werden soll, so führen wir eben mit
den Zahlen, durch welche die Lücke ausgefüllt wird, die fiktiven Tiden von
langer Periode?) ein, welche durch Anwendung der Reduktions-Koefficienten (E)
bei a Vorbereitung der 10 Normalgleichungen für die Auflösung entfernt
werden.
„Es liefsen sich noch andere Methoden, eine Unterbrechung der Re-
gistrirungen zu behandeln, angeben. Findet die Unterbrechung nahe am Anfang
oder Ende des Jahres statt, so könnte man die Beobachtungen vor oder nach
der Lücke vernachlässigen und die 100 Ko&fficienten der Gleichungen (D) und
die Reduktions-Koefficienten (E) für die übrig bleibende Anzahl von Tagen von
neuem berechnen. Ist die Lücke in der Mitte, so könnte man die Koefficienten
(D) und (E) so berechnen, als wenn die ausgefallenen Tage Beobachtungstage
wären, wobei zu berücksichtigen ist, dafs die Formeln durch die Erwägung, dafs
die Zeit von 11* 30” am ersten Tage des Jahres und nicht von 11® 30" des
ersten Tages der Lücke aus zu zählen ist, modificirt werden müssen.
„Die so berechneten Koeffcienten sind dann von den in (D) und (E) ge-
gebenen Werthen zu subtrahiren und für die weitere Rechnung die so ver-
besserten Normalgleichungen und Reduktions-Koeffcienten anzuwenden.
. „Es mufs dem Urtheile des Bearbeiters überlassen werden, welche dieser
verschiedenen Methoden in einem gegebenen Falle anzuwenden ist.“
1) Offenbar kann man den im mittleren Wasserstande für die einzelnen Tage zurückbleibenden
Restbetrag einer Tide von kurzer Periode als Tide von langer Periode ansehen.