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Auflösungen für das Zweihöhenproblem.
Fehler der übrigen Rechnungen nur etwa eine halbe Minute für die Breite
betragen haben würde, Die Rechnung nach II. wäre also ganz unbrauchbar
geworden, obgleich sie auf einer ebenso strengen Formel wie die übrigen
Rechnungen beruht, aber sie erfordert eine sehr scharfe Bestimmung des M,
um nur einigermafsen in solchen ungünstigen Fällen genaue Resultate zu geben.
Borda’s Verfahren war nun darauf gerichtet, die Breite für den Schiffs-
ort der gröfseren Höhe zu erhalten. Er begann also die Zeitberechnung mit
der kleinen Höhe, ohne sie erst auf den Ort der größeren zu reduciren, be-
nutzte dafür aber die geschätzte Breite 33° 4/N des zweiten Ortes und die
dazu gehörige Dekliuation. Mit dem berechneten Stundenwinkel = 48° 21‘ 20“
und der verflossenen Zeit, vermindert um 3‘ = 12° westliche Ortsveränderung,
wurde dann t = 6° 30‘ 20” für die erste Beobachtung gefunden, woraus mit
der Höhe = 61° 1‘ 0“ und der Deklination 5° 0' 40“ die Breite 33° 21‘ 17“
sich ergab. Zugleich aber ist die ganze Rechnung mit einer um 10‘ gröfseren
geschätzten Breite durchgeführt worden; das gab @ = 33° 22‘ 12“, und
schliefslich durch Interpolation die wahre Breite 33° 22‘ 7“.
Es findet sich hier also wohl zuerst eine Berücksichtigung der Deklinations-
Veränderung in der Zwischenzeit, sowie auch eine Ergänzung der von Douwes
nur wegen der Längenveränderung des Schiffes bestimmten Korrektion für die
Fahrt. Später (1787) hat Borda in seiner „Description et usage du cercle de
reflexion“ dieselbe Form der Berechnung vorgetragen und auf das obige Beispiel
mit geringer Veränderung angewendet. Aus der Vorrede dieses Buches ist
ersichtlich, dals Borda der Urheber der in der Voyage de la Flore angegebenen
Rechnungsmethoden ist, deren Tradition sich auch in manchen späteren fran-
zösischen Arbeiten erkennen läfst.
Eine Hauptfrage noch, ob denn durch dieses Borda’sche Verfahren ein
grofser Vortheil gegen die Methode von Douwes erreicht worden ist, würde
in Beziehung auf das gegebene Beispiel nicht zum Nachtheil der letzteren sich
antscheiden. Im Gegentheil wäre die Douwes’sche Rechnung kürzer gewesen
and auch nicht ungenauer, wenn ınan die Deklinationsveränderung dabei berück-
sichtigt und die Fahrtkorrektion nicht einseitig nach Douwes, sondern voll-
ständiger (nach Graham) angewandt hätte.
Aber es ist noch ein anderer Fall übrig, wo die Borda’sche Methode
entschieden im gröfsern Vortheil sein würde, wenn nämlich zwei Gestirne von
ganz verschiedener Deklination beobachtet sind, wodurch der Gang der Rechnung
nach dieser Methode keine Aenderung erleidet, während die andern Methoden,
welche auf eine konstante Deklination gegründet sind, nicht mehr angewendet
werden können. Als Beispiel ®°) dazu mögen folgende Sternhöhen dienen, aus
Beobachtungen am 16. Januar 1874 in Kiel (von B. Weyer):
Uhrzeiten Wahre Höhen Rektascension Deklin
Sirius 91 37” 30° h= 17°59 a = 639° 36° dd = — 16° 33
Reogulus 9 38 30 h= 24 24 a = 10 1 40 d’=— 412 35
Zeit-Unt. = 0 1 O0 Mz d—a= 322 4
=0 1 02S.Z........c= 01 02
d-—m a—me— 321 4
Beide Sterne waren östlich vom Meridian, aber die gröfsere Höhe
(Regulus) in der Nähe des ersten Vertikals, und die kleinere (Sirius) nicht
weit vom Meridian beobachtet. Wird nun für den Zweck der Rechnung als
geschätzte Breite 54° 30‘N angenommen, so ergiebt sich:
3%) Borda gab zwar kein Beispiel von Beobachtungen zweier Sternhöhen für diese Methode
an, aber er‘ wies doch auf den beabsichtigten Gebrauch davon hin, wenn die Dämmerung oder der
Mondschein die Beobachtung von Sternhöhen zur See gestatte. In der Beschreibung seiner Expedition
(Voyage de la Flore I., pag. 351) wird empfohlen, die beiden Sterne so auszuwählen, dafs der eine
Stern dem Meridian nahe genug sei, der andere aber 50 bis 120° östlicher oder westlicher. Zugleich
wird dabei der einfachen (aber nachher oft wieder vermifsten) Regel gedacht, bei nicht gleichzeitigen
Beobachtungen der beiden Sternhöhen nur deren Rektascensionsunterschied um den Betrag der
verflossenen Zeit zu ändern und zwar zu addiren oder zu subtrahiren, je nachdem man die Beob-
achtung mit dem östlichen oder westlicheren Stern angefangen habe.