Auflösungen für das Zweihöhenproblem.
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1) Man mufs suchen, die eine Höhe so nahe als möglich am Meridian
zu erlangen und die andere Höhe in einem solchen Abstande, dafs die ver-
flossene Zeit größer ist, als der Stundenwinkel der gröfseren Höhe.
2) Die verflossene Zeit mufs nicht über 4 bis 5 Stunden sein, und die
Beobachtungen müssen zwischen 9 Uhr Vormittags und 3 Uhr Nachmittags
genommen werden, so dafs sich die Sonne nach ungefährer Schätzung etwa 90°
im Azimuth geändert hat,
8) In allen Fällen ist es am vortheilhaftesten, wenn man die eine Beob-
achtung vor dem Mittage und die andere nach demselben haben kann,
4) Am besten ist es, wenn der Azimuth-Unterschied zwischen beiden
Beobachtungen 90° beträgt und der Mittag in der Mitte liegt.')
Dabei wäre es nur noch wünschenswerth gewesen, wenn Douwes auch
ausdrücklich auf den unbrauchbaren Fall hingewiesen hätte, wo der Azimuth-
Unterschied sich 0° oder 180° nähert, was auf niedriger Breite mit der Sonne
oft vorkommen kann, ungeachtet die erste und dritte Regel von Douwes
befolgt würde. Eine häufig später wiederholte Regel, dafs die Sonne zwischen
beiden Beobachtungen ja nicht durch den Ost- oder Westpunkt gehen dürfe,
ist in dieser Allgemeinheit ganz unbegründet und auch so bei Douwes nicht
ausgesprochen, welcher (pag. 201) nur sagt: Kein Verlafs sei auf das Resultat
der Breite, wenn die eine Höhe so viel vor 6 Uhr, wie die andere nach 6 Uhr
beobachtet ist. — Uebrigens bemerkte schon Floryn,’°) der Nachfolger von
Douwes, dafs die von letzterem bezeichneten Grenzen doch etwas erweitert
werden könnten, da auch die Höhenmessungen mit der Zeit immer genauer
geworden waren. Bangma,*!) ein späterer Nachfolger in demselben Amte,
suchte als Hauptsache, zur Vermeidung von Unsicherheiten, die Regeln kurz auf
folgende zwei zu reduciren, welche sich auch schon gelegentlich bei Mendoza
(Conn. des Temps pour 1793, pag. 293) finden:
1) Sind beide Höhen auf derselben Seite des Meridians, so ist es am
besten, sie so weit als möglich aus einander zu nehmen.
2) Sind aber beide Höhen auf verschiedenen Seiten des Meridians, so
werden sie am besten so nahe als möglich bei einander genommen.
Man sieht wohl, dafs dabei nur die Breitenbestimmung ins Auge gofafst
und auf die Zeitbestimmung damals noch kein besonderer Werth gelegt ist.
Dasselbe gilt auch von den schon erwähnten Tafeln von Brinkley und
Nieuwland, welche die Anordnung der Beobachtung betreffen, damit das
Verhältnifs AB nicht gröfser als > werde. ?)
Aber ganz im Widerspruch mit den durch die Formeln gerechtfertigten
Regeln kam Prof, Anger?) bei der Besprechung der Methode von Douwes,
in wiefern sie eine Annäherung gewähren könne, zu folgenden Resultaten:
„Der Fehler der berechneten Polhöhe verhält sich zu dem Fehler der
näherungsweise angenommenen, wie die Tangente des Azimuths der zweiten
19) Unbegründet ist also die später oft anzutreffende Behauptung, dafs die Methode von
Douwes oder gar das „Douwes’sche Problem“ immer nur voraussetze, die eine Höhe sei in der
Nähe des Meridians beobachtet.
44 2%) J. C. Pilaar, Luitenant ter Zee, Handleiding tot de Stuurmannskunst, I., Leiden 1837,
ag. 444.
’ 2) Verb. over de Breedte buiten den Middag door O. S. Bangma. Verh, v. het Hollandsch
Institut van Wetenschappen. I. Amsterdam 1812, pag. 45.
2) Die Tafeln von Brinkley finden sich auch in der 3. Ausgabe der Requisite Tables.
Vgl. Horner, Sur le probleme de Douwes in v. Zach’s Corresp. astron. 1822, Bd. VI, pag. 84.
23) Bemerkungen über einige Methoden zur Bestimmung der geographischen Breite, mit
Rücksicht auf die auf dem Meere anzustellenden Beobachtungen, von C. T, Anger, Professor
am Gymnasium zu Danzig. Königsberg 1839, pag. 7 und 8. — Etwas früher (pag. 5) kommt
daselbst auch die bedenkliche Aeufserung. vor: „Es scheint für den Zustand der Navigation ein
erheblicher Gewinn zu sein, wenn der Seemann durch den mathematischen Unterricht dahin gebracht
wird, dafs er astronomische Formeln wenigstens lesen könne.“ Hierdurch mag der Autor wohl
gegen seine Absicht dazu beigetragen haben, dafs mit Vernachlässigung der Figur häufig schon zu
früh nur nach Formeln gerechnet wurde, Für die Sicherheit der nautischen Rechnungen dürfte aber
das sorgfältig geübte Verfahren der Verbindung von Figur und Rechnung das beste sein, um sich der
geometrischen Bedeutung der Rechnung und damit „des rechten Weges wohl bewufst“ zu bleiben.
Ein gutes Beispiel, wie sich durch zweckmäfsige Anwendung der einfachsten mathematischen Hülfs-
mittel selbst schwierige Fälle nach der Figur gemeinverständlich berechnen lassen, gab Douwes
durch seine Auflösung des Zweihöhenproblems.