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Full text: Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie, 12 (1884)

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Ueber Gewitter- und Hagelbildung, 
Mir will scheinen, dafs diese beiden Gesetze, besonders aber das erstere, 
in hohem Grade für die Entstehungsweise durch Wirbelbewegung sprechen. 
Jeder, der mit den Gesetzen der höheren Mechanik über die Rotation der 
Körper einigermafsen vertraut ist, muß zugestehen, dafs eine solche Form der 
Hagelkörner durch die Art und Weise ihrer Entstehung mittelst der Wirbel- 
bewegung geradezu gefordert wird, dafs also das Vorhandensein dieser Form 
der sprechendste Beweis für die Richtigkeit obiger Theorie der Hagelbildung 
ist. Auch die abgeplattete oder scheibenförmige Gestalt mancher Kismassep, 
die an den Endpunkten der Achse mit kleinen Grübchen versehen sind, spricht 
für diese Entstehungsart. Dafs die kugelförmige wenig abgeplattete Gestalt die 
am ‘meisten vorkommende ist, erscheint sofort verständlich; auch die kegol- 
(örmige Gestalt ist begreiflich, sobald man annimmt, dafs bei der aufsteigenden 
Bewegung zwei ungleich grofse Körner an einander frieren, die nun, um_ihre 
Längsachse rotirend, durch weiteres Ansetzen von Eisnadeln eine konische Form 
annehmen müssen. In der „Zeitschr. f, Meteorol.“, Band 4, pag. 420—421, 
werden Hagelkörner beschrieben, die aus einem Sphäroid mit boträchtlicher 
Abplattung und einer Gruppe rings herum angewachsener Krystalle bestanden. 
Diese Krystalle waren vollständig durchsichtig, und unregelmäfsig um das 
Sphäroid vertheilt, theils gruppenweise, theils isolirt, doch so, dafs die meisten 
derselben rund um den Acquator desselben angefroren waren, Höchst wahr- 
acheinlich waren diese Krystalle in der grofsen Höhe, die die Hagelkörner bei 
ihrem Aufsteigen erreichten, schon vorhanden und froren mit ihnen zusammen, 
Man hat bei Luftfahrten Eiskrystalle in einer Höhe von 9000—10000m schwebend 
gesehen, und wenn man die oft erstaunliche Geschwindigkeit der Luft in jenen 
Höhen berücksichtigt, so dürfte es nicht unmöglich erscheinen, dafs auch gröfsere 
Eiskrystalle von derselben getragen werden können, 
Lecoq!) führt au, dafs er eine Hagelwolke über seinem Haupte mit 
großer Geschwindigkeit hinziehen sah, die ihre Hagelkörner orst in einer Ent- 
fernung von 2 Moile niederfallen Hefe und von einem sehr kalten Windo 
getrieben wurde. Abbe Lecomte?) erblickte auf einer Reise am 31. März 1859 
während eines scharfen Ostwindes im fernen Osten ungeheure Cumuluswolken 
von spiegelnd gelber Farbe, westwärts aber einige andere dunkele Cumulus- 
massen. Diese fernen Wolken ruhten (scheinbar) sämmtlich auf dem Horizonte. 
Im Norden erblickte man zerstreute Schleierwolken, aber im übrigen war der 
Himmel in grofser Ausdehnung sehr klar. Plötzlich bemerkte er auf dem Boden 
das tanzende Aufschlagen von Hagelkörnern, Bei der Seltenheit und grofsen 
Entfernung der Cirruswolken kann man diesen Hagelfall wohl als einen Hagol 
bei heiterem Himmel betrachten, Offenbar wurden diese Hagelkörner durch 
eine heftige obere Luftströmung, die auch bei der Bildung des Wirbels wahr- 
scheinlich betheiligt war, in eine solche Entfernung getragen, ähnlich wie bei 
dem von Lecoq angeführten Falle. Ihr Entstehungsherd befand sich in den 
ungeheuren Cumuluswolken im Osten. Lecomte bestreitet auch, dafs unge wöhn- 
lich grofse Körner aus dem Zusammenschmelzen kleinerer entständen, indem er 
selbst bei Schlossen von der Gröfse eines Hühnereies vollkommen koncentrischen 
Bau um einen weißen durchsichtigen Kern fand. Das schliefst aber keineswegs 
aus, ist-im Gegentheil leicht annehmbar, dafs öfters grofse Hagelkörner durch 
das Zusammenbacken kleinereır entstehen. Oersted nimmt an, dafs die Hagel- 
körner bei der absteigenden Bewegung der kalten Luft der Höhe (infolge der 
Wirbelbewegung), nachdem sie in die feuchtwarme Luft gedrungen, sich bilden; 
obwohl ich diese Art und Weise der Entstehung nicht leugnen will, so scheint 
mir doch die oben gegebene Entstehungsart vorzuziehen, weil, nach dem Ex- 
periment zu urtheilen, die äufserst lebhafte aufsteigende Bewegung im Innern 
des Wirbels relativ schwere Körper hoch in die Höhe zu heben vermag (die 
so erreichte Höhe beträgt zuweilen wohl das 50fache des Durchmessers des 
Wirbels), und weil die von Lecoq und Lecomte beobachteten Erscheinungen 
sich bei dieser Annahme besser erklären lassen. Dazu kommt noch, dafs häufig 
im Innern der Hagelkörner (im Kerne) Sandkörnchen, Asche, Metallkörner ete. 
gefunden wurden; diese sind infolge der aufsaugenden Kraft des Wirbels vom 
5) „Annales de chemie et de physique“, 1836, tome LXT, pag. 217—218, 
2) „Allgemeine Witterungskunde“, pag. 158—159.
	        
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