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Ueber Gewitter- und Hagelbildung.
nach einer gelegentlichen Unterbrechung der Regen, dieselben wieder von neuem,
so bemerkt man auch das erneute Erscheinen dieser oberen Strömung.
Ich will hier noch einen ferneren scheinbaren Widerspruch aufzuhellen
suchen. Der eine Beobachter glaubt beim Auftreten von Böen, Gewittern und
Hagelstürmen ein Fallen des Barometors bemerkt zu haben, der andere da-
gegen ein Steigen. Es kommen beide Fälle vor. Ist die den angeführten
Phänomenen zu Grunde liegende Wirbelbewegung nur schwach entwickelt, so
dafs infolge der Kondensation das von den Seiten und von oben her erfolgende
Zuströmen der Luft gegenüber dem schwachen aufsteigenden Luftstrom innerhalb
des Wirbels überwiegt, so steigt das Barometer während und nach dem
Regen oder Hagel, ist aber dio Wirbelbowegung kräftig entwickelt, findet also
auch ein sehr lebhaftes Aufsteigen der Luft in dem Wirbel statt, so tritt
wenigstens für diejenigen Orte, über welche der Wirbel hinwegschreitet, ein
entschiedenes, wenn auch nur vorübergehendes Fallen des Barometers ein,
Jeder Tornado, überhaupt jeder einigermafsen kräftig entwickelte Wirbelsturm
beweist dies. Ich führe nur ein Beispiel an. In den „Transactions of the
Royal Society of Edinburgh“, Vol. 1X, part I, pag. 199, findet sich ein Bericht
über einen Hagelsturm, welcher über die Orkney-Inseln hinweg ging, wo er
hauptsächlich Stronsa und Sanda verwüstete. Derselbe wird geradezu cin
Schauer von Eismassen genannt, unter lebhafter Entladung von Kugelblitzen,
Das Sturmgebiet war nur 1% engl. Meilen breit, und das Barometer fiel nach
der Aufzeichnung des „Start Point Lighthouse“ in Sanda von 29,72 auf 27,76
Zoll engl., das ist sehr nahe um 2 Zoll (50,8 mm)!!
Bei den kleinen und zahlreichen Gewitterwirbelu innerhalb einer Gewitter-
zone kann die auch dort nothwendig eintretende Luftdruckverminderung inner-
halb der Wirbel im allgemeinen sich gar nicht geltend machen, sie wird durch die
anderen im entgegengesetzten Sinne wirkenden Faktoren meistens ganz verdeckt,
Doch beobachtet man auch in diesen Fällen öfters ein plötzliches Fallen und
Aufschnellen des Barometers, wie z. B. aus den aufsergewöhnlichen Barographen-
Kurven, die Dr. Assmann in dem meteorologischen Jahrbuch der Wetterwarte
der Magdeburgischen Zeitung mitiheilt, lcicht zu ersehen ist. Ferner muß hier
noch berücksichtigt werden, dafs bei einer größeren Gewitterzone nicht nur ein
Gewitter diese Zone überschreitet, sondern dafs zahlreiche, von einander unab-
hängige Gewitter, dio sich immerfort neu bilden und verschwinden, ein solches
Gebiet überziehen.
Was die Wintergewitter betrifft, so liegt bei ihnen die Sache wohl
insofern anders, als dann ein vom Meere kommender feuchtwarmer Luftstrom
sich Bahn bricht und bei irgend einem Hindernifs zu Wirbelbildung Veranlassung
giebt. In solchem Falle ist dio ganze Erscheinung meist von kurzer Dauer,
weil der obere Strom und auch die Luftmassen, in denen sich die Bildung des
Gewitters vollzieht, nicht die genügende Dampfmenge zu einer grofsartigen
Entwickelung besitzen. Diese Auffassung erklärt auch, warum in solchen Fällen
keine Abkühlung der Luft stattfindet; ja es kann sogar eine Erwärmung ein-
treten. Ich führe als auffallendes Beispiel Folgendes an. Am 4. und 5. De-
zember 1879') drang vom Atlantischen Öcean her.in fast schnurgerader Linie
durch das nördliche Frankreich und das mittlere Deutschland bis tief in das
südliche Russland eine Cyklone ein. Es lag zur genannten Zeit über ganz
Central-Europa ein barometrisches Maximum; zugleich herrschte seit einer Reihe
von Tagen strenge Kälte, In Frankreich fand starker Schneefall statt, der
aber nach E hin allmählich an Stärke abnahm, so dafs schon in Deutschland
viel weniger Schnee fiel. Es trat aher dort vielfach für einige Stunden
eine erhebliche Temperaturerhöhung ein. Dieso letztere Erscheinung
stand sicher mit dem feuchtwarmen, oberen, vom Meere kommenden Luftstrom
in Zusammenhang, ebenso wie der starke nach E hin abnehmende Schneefall,
Zur weiteren Bestätigung führe ich noch an, dafs bei Böen, die nach heiterer
Witterung eintreten, eine rasche und starke Temperaturerniedrigung zu folgen
pflegt, während bei solchen an trüben Tagen, bei gleicher Regenmenge, die
Temperaturerniedrigung nur schwach angedeutet ist oder gar nicht eintritt. Ob
also eine Temperatur-Erniedrigung oder Erhöhung folgt, hängt wesentlich von
‘3 Monatsberichte der Deutschen Seewarte 1879.