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Full text: Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie, 12 (1884)

Typische Witterungs-Erscheinungen. 
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die rein nach Ost gerichtete Zugstrafse II, welche einen von Süd nach Nord 
gerichteten Gradienten und eine Temperaturzunahme nach Süd oder Südwest 
bedingt, wird in der kälteren Jahreszeit häufiger frequentirt sein, als in der 
wärmeren (vgl. Tabelle A), jedoch tritt hier der Gegensatz in der Frequenz 
nicht so schroff hervor, wie bei den vorhin genannten Zugstrafßsen. Die nach 
Nordost oder Ostnordost gerichteten Zugstrafsen I und IV setzen hohen Luft- 
druck im Südosten und zunehmende Temperatur nach Südosten oder Süden hin 
voraus, Diese Zugstrafsen sind daher in der wärmeren Jahreszeit am häufigsten 
vertreten, sind aber auch (insbesondere Zugstrafse I) in der kälteren Jahreszeit 
nicht selten, eine Thatsache, deren Erklärung hauptsächlich wohl in der be- 
deutend gröfseren Luftdruckdifferenz in der kälteren Jahreszeit zwischen Nord- 
west und Südost zu suchen ist. Ferner weisen unsere Luftdruckkarten nach, 
dafs die auf den Bahnenkarten, die der „Monatliche Uebersicht der Witterung“ 
beigegeben sind, verzeichneten Minima der Zugstrafse I nur Randbildungen, 
Theilminima gröfserer Depressionen sind, die ihren Kern im Winter nordwestlich 
von Irland, im Sommer etwas südlich von Irland habev, und dafs hier die 
Temperatur in der That ziemlich rasch nach Südost hin anwächst. Aehnliches 
gilt für Zugstrafse Vp, welche in der wärmeren und in der kälteren Jahreszeit 
ziemlich gleich häufig von Depressionen besucht wird. 
Ebenso unschwer zu erklären ist es, dafs die Depressionen die Neigung 
haben, die Bahn ihrer Vorgänger einzuschlagen. Hat sich Luftdruck- und 
Temperaturvertheilung für eine bestimmte Zugstrafse einmal günstig gestaltet, 
oder mit anderen Worten, hat sich einmal die Wetterlage für eine bestimmte 
Zugstrafse eingerichtet, so ist klar, dafs die nacheinander folgenden Depressionen 
diese Zugstrafse so lange befolgen werden, als sich die Temperatur- und Druck- 
verhältnisse nicht geändert haben, welche Aenderung hauptsächlich durch die 
mechanischen Wirkungen der Depressionen, oder durch die Einwirkung anderer 
das Gebiet durchziehender Depressionen herbeigeführt wird. Da nun aber die 
Gebiete hohen Luftdruckes (im Gegensatze zu den nordamerikanischen Verhält- 
nissen) in Europa eine entschieden ausgesprochene Erhaltungstendenz zeigen, 
so ist klar, dafs die Witterungsvorgänge in unseren Gegenden längere Zeit 
hindurch, ja manchmal während ganzer Monate, denselben typischen Charakter 
zeigen. Wird indessen von den Depressionen die Zugstrafse geändert, so erfolgt 
auch mit diesem Wechsel eine mehr oder weniger entschiedene Aenderung 
der Witterung, zumal dann, wenn diese Bahnen verschiedene Richtung haben, 
z.B. wenn die Depressionen eine nach Nordost führende Strafse verlassen und 
in eine nach Südost gerichtete einlenken. Eine Vergleichung unserer Wetter- 
kärtchen wird dieses sofort bestätigen. 
Nicht immer, ja in den wenigsten Fällen, sind Luftdruck und Temperatur 
um die Depressionen in demselben Sinne vertheilt; und diesem Umstande ist es 
hauptsächlich zuzuschreiben, dafs die Fortpflanzung und die Umwandlung der 
Depressionen so aufserordentlich viele Mannigfaltigkeiten zeigen. Ist die Ver- 
theilung des Luftdruckes und der Temperatur in der Umgebung der Depression 
eine entgegengesetzte und ziemlich gleichwerthig, so wird die Bewegung der 
Depression gehemmt oder ganz aufgehoben (stationäre Depressionen), dabei 
nimmt die Depression eine längliche, mehr oder weniger verzerrte Form an, 
deren Längsaxe senkrecht zum Luftdruck- resp. Temperaturgradienten steht, und 
an deren Enden sich häufig Theilminima loslösen, die dann der Luftströmung 
folgen, welche der ganzen Luftsäule über der entsprechenden Gegend eigen ist. 
Ist aber im obigen Falle nach der einen Seite hin entweder der Luftdruck oder 
die Temperatur überwiegend, so wird die Richtung der Ortsbewegung durch das 
überwiegende Element bestimmt. 
Sind andererseits Luftdruck und Temperatur um die Depression zwar 
nicht entgegengesetzt, aber auch nicht nach demselben Sinne vertheilt, so wird 
eine- resultirende Richtung eingeschlagen, welche der mächtiger . wirkenden 
Ursache mehr entspricht. 
Schon aus dieser kurzen Erörterung folgt die hohe Wichtigkeit dieses 
Satzes in seiner Anwendung bei der Wetterprognose. Soll aber unser Urtheil ein 
richtiges sein, so ist es vor allem nothwendig, auf möglichst grofsem Gebiete in 
der Umgebung die Luftdruck- und Temperaturvertheilung zu kennen, insbesondere 
aber die Uebersicht über die Wetterlage nach Westen hin möglichst zu er-
	        
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