Ueber Gewitter- und Hagelbildung,
geben nun Veranlassung zu einem Gewitter. Mit dem Fortschreiten der oberen
Strömung bilden sich immer neue Wirbel, also auch neue Gewitter aus, Wir
sehen daher auch, dafs bei einer breiten und langen Gewitterzone einzelne inner-
halb dieser Zone liegende Orte von Gewitter und Hagel verschont bleiben,
oder mit anderen Worten, daß die Gewitter zeit- und stellenweise aufhören und
dann sich wieder neu bilden, d. h. sprungweise fortschreiten. Dafs die obere
Luftströmung in einem kausalen Zusammenhange mit der Gewitterbildung stehen
mufs (abgesehen von ganz lokalen sogenannten Wärmegewittern), geht daraus
auf das Klarste hervor, dafs die Gewitterzone eine breite und lange, meist
yanz‘yerade Fläche bildet. Ich führe als Beispiel die beiden Gewitter vom
7. und 8, Juli 1875 an, die Colladon ausführlich beschrieben hat.!) Die
Verbreitungszonen dieser Gewitter resp. Hagelwetter bilden zwei breite, gerade
und lange Streifen, die sich blofs an ihren östlichen Enden etwas zuspitzen.
Der erste Streifen, von der Saöne zwischen Macon und Lyon ausgehend, endigt
bei Sion in der südlichen Schweiz; der zweite, in der Nähe von Chambery be-
ginnend, endigt ebenfalls bei Sion. In beiden Fällen überschritten die Hagel-
Wolken Bergketten von 1500 bis 2000 m Seehöhe, ohne in ihrer Richtung und
Geschwindigkeit beeinflufst zu werden, ein Beweis, dafs ihnen ihre Direktion in
der Höhe gegeben wurde,
Einen noch schlagenderen Beweis für diesen Satz bilden die heftigen
Hagelwetter und Tornados in Nord-Amerika. Am 12. Juni 1881?) Nachmittags
traten im Staate Zowa und den angrenzenden Staaten 19 Tornados und Hagel-
stürme auf. Nun zeigt sich in den Bahnen dieser Hagelstriche und Tornados
ein ganz auffallender Parallelismus. Sie sind sämmtlich von SW nach
NE gerichtet, so dafs man geradezu gezwungen wird, eine allgemeine diri-
girende Ursache anzunehmen, die nur in einer oberen, von SW nach NE
gerichteten und wahrscheinlich mit einer im NW befindlichen Depression im
Zusammenhange stehenden Luftströmung gesucht werden kann. Diese Strömung
bildete die Leitlinie (Direetrix) für die Bahnen der Wirbel. Auch das
gemeinschaftliche und gleichzeitige Auftreten von Hagelstürmen und Tornados
deutet auf den organischen Zusammenhang beider hin und beweist, dafß die
Hagelbildung und damit auch die Gewitterbildung mit der Wirbelbewegung eng
verknüpft sein muß. Kin ferneres sehr interessantes Beispiel bietet der
Gewittersturm vom 20. Februar 1879 in der Schweiz.®) Dort pflanzte sich ein
Gewitter in schnurgerader Linie mit einer mittleren Goschwindigkeit von
12 bis 14m per Sekunde von Genf nach Bern fort. Während das Gewitter
schon in Genf und Morges wüthete, ist die Windgeschwindigkeit in Bern gleich
Null und wächst erst zwischen 8 und 9*p. m. beim Herannahen des Gewitters
auf 20m per Sekunde. Herr Forel erblickt in diesen Zahlen einen evidenten
Beweis einer relativen Bewegung in dem Phänomen selbst, eine specielle Weg-
bewegung der Luft von der Mitte des grofsen Luftstromes, welcher nach NE
gerichtet war, und diese intensive Bewegung konnte nur eine drehende sein.
Der Orkan vom 20. Februar war also eine Cyklone. ;
Während die Luft bei gröfseren und heftigen Wirbeln wie bei den Cyklonen
nach dem Centrum in Spiralen hineilt, stürzt sie bei einem Gewitter nach allen
Seiten heraus. Wenn beide Erscheinungen auf Wirbel zurückzuführen sind, so
schliefsen sie sich gegenseitig aus, aber nur scheinbar. Wenn man in der
Eingangs schon erwähnten Weise in der Höhe des Wassers einen Wirbel
hervorruft und diesen Wirbel bis auf den mit feiner Asche bestreuten Boden
sich fortpflanzen läfst, so bemerkt man, dafs sonkrecht unter ihm diese Asche
gleichsam weggeblasen wird, in der Art, dafs ein kreisförmiger von Asche
Wirbel von verschiedenem Durchmesser (der kleinste Durchmesser betrug: nach Schätzung kaum
0,1 mm und glich einer haarfeinen Linie) und verschiedener Lage, bald horizontal, bald vertikal (die
meisten) oder schief, Ganz dieselbe Beobachtung machte ich schon früher, als ich in einen ge-
schlossenen, von der Sonne erleuchteten Raum durch eine Spalte den ziemlich heftigen Wind in eine
kleine Wolke von Cigarrenrauch eindringen liefs. Auch hier bildeten sich die schönsten Wirbel von
verschiedenster Gröfse und Lage. Die Intensität der Wirbelbewegung und damit des Durchmessers
hängt ab von der Stärke des Windes im Moment der Entstehung.
1) S. Colladon: Contributions & Vetude de la gröle etc, „Archives des sciences phys. et
natur.“ Gendve 1879, .
%) S. „Report on the character ot 600 Tornadoes No. VII“ by Finley.
3) S. „Zeitschrift für Meteorologie“, Bd. XIV, pag. 398.