Veber Gewitter- und Hagelbildung.
fort, und das Werk des einen Tages setzt sich nach nächtlicher Unterbrechung
am anderen wieder fort. Bei Nacht können selbst wärmere Schichten über den
unteren am Erdboden erkalteten schwimmen, bis die Insolation wieder wirksam
wird. Der ganze untere Theil der Atmosphäre wird auf diese Weise und durch
die Wärmestrahlung vom Erdboden, sowie jener der Sonne selbst bei ruhigem
heiteren Sommerwetter ziemlich gleichmäfsig durchwärmt und aufgelockert.!)
So wird die ganze Luftmasse allmählich durch die Wärme ausgedehnt, und die
Flächen gleichen Drucks heben sich über dem erwärmten Lande,
Denken wir uns also, dafs im Sommer über einem gröfseren‘ Gebiete der
eben geschilderte Zustand in der Entwickelung begriffen sei. Die Hebung der
Niveauschichten erstreckt. sich, wie wir eben gesehen haben, keineswegs
bie zu sehr bedeutender Höhe oder gar bis zur Grenze der Atmosphäre, Die
aufgestiegene Luftmasse mufs sich also seitwärts einen Ausweg suchen, worin
sie durch die über ihr fast. immer bestehende westöstliche Luftströmung‘ öfters
unterstützt werden mag. Doch findet sie diesen Ausweg wohl nicht immer
sofort, sondern erst nachdem eine gewisse Spannung eingetreten ist. Dann wird
das Abfliefsen nach irgend einer Richtung des geringsten Widerstandes erfolgen,
und zwar öfters nur ruckweise oder stofsweise. Nun wissen wir jetzt bestimmt,
dafs schon in oft relativ geringen Höhen heftige Luftströme nach den ver-
schiedensten Richtungen hin existiren.*) Mag nun eine solche Luftströmung. in-
folge des ruckweisen Abfliefsens der ‚hoch erwärmten Luft entstehen und von
irgend einer Seite nachrücken, oder mag sie in kausalem Zusammenhange mit
irgend einer Cyklone stehen, sie mufs, sobald sie in das Gebiet hoch erwärmter,
feuchter, mit Wasserdampf fast gesättigter Luft eingedrungen ist, ein turbulentes
Aufsteigen derselben infolge des labilen Gleichgewichtszustandes veranlassen.
Dabei kann es nicht ausbleiben, dafs sich in der ganzen Breite dieser oberen
Strömung zahlreiche Wirbel bilden.*) Je einer oder mohrere dieser Wirbel
1) Bei einer Ballonfahrt wurde gegen Abend in der ganzen Luftschicht zwischen dem Erd-
boden und 1800‘ Höhe kaum irgend eine Temperaturabnahme bemerkt,
2) Diese Luftströme lassen sich durch die Theorie des Gradienten nicht genügend erklären,
da man bis jetzt keine genügende Ursache für die Bildung der zur Erzeugung solcher Luftströme
nöthigen Druckdifferenzen gefunden hat; aber dies ändert an der Thatsache der Existenz solcher
Ströme durchaus nichts, Diese ist durch so zahlreiche Ballonfahrten in der direktesten Weise nach-
gewiesen, dafs eben ein Zweifel absolut ausgeschlossen ist, Am auffallendsten erscheint mir bei
diesen Luftströmen, dafs sie in oft scharf begrenzten Betten dahinfliefsen, ähnlich den Meeresströmen,
und dafs ein solcher Strom durch seine abnorme Wärme oder Kälte, durch seine grofse oder geringe
Feuchtigkeit, durch die Schnelligkeit seiner Bewegung und die Verschiedenheit seiner Richtung sich
scharf abhebt von der von ihm durchfurchten Luft, Was soll man z,. B. dazu sagen, wenn Tissan-
dier („Observat, met6orol. en ballon”, Paris 1879) bei einer Luftfahrt am 16. Februar 1873 in einer
Höhe von 1600 m einen Luftstrom antraf, dessen Temperatur + 17,5° C. betrug, während die Wolken-
schicht unterhalb desselben auf —2° C. erkaltet war, (Ich habe in der „Oesterr, Zeitschrift für
Meteorol.“, 1883, Seite 113—114, zahlreiche Beispiele von Luftfahrten angeführt zum Nachweis der
grofsen Verschiedenheit, der gerade in mittleren Schichten der Atmosphäre herrschenden Zustände in
Bezug auf Temperatur, Spannung, Feuchtigkeitsgehalt, Richtung etc.) Auch folgt aus diesen starken
Abweichungen der Luftzustände von den normalen, dafs es keineswegs gerechtfertigt ist, wenn man
in Zeiten solcher Störungen die barometrische Höhenformel zur Berechnung des Barometerstandes
etwa für die Höhen von 1000, 2000, 3000 m etc, anwenden will, um daraus die Isobaren für jene
Höhenschichten abzuleiten, Herr R. Billwiller hat (s. „Schweizerische meteorol. Beobachtungen“,
Jahrg. 9, 1872) für die dritte Dekade des Juli 1872 durch Umkehrung der Formel die Temperaturen
berechnet, die aus den in Chaumont und Neuchätel abgelesenen Barometerständen folgen. Während
nun die Differenz zwischen Beobachtung und Rechnung für 7b a, m,., 1% p. m. sich zwischen 0—2° C.
bewegt, beträgt dieselbe für 9b p. m. bedeutend mehr, sie ist aber noch viel gröfser für die Abende
des 27, und 28, (9° resp. 10,8° C.), wo eben ein Gewittersturm hereinbrach, der.die Imftdruckver-
hältnisse derart störte, dafs eine Anwendung der Höhenformel ganz unstatthaft wurde, Das von
Herrn Billwiller erhaltene Resultat scheint mir daher ebenso interessant als wichtig zu sein. Wenn
aber der Verfasser meint, dafs Ablesungsfehler die Ursache dieser grofsen Differenz an jenen beiden
Abenden sei, so erscheint es mir nicht wahrscheinlich, dafs an zwei Abenden hinter einander ein
derartiger Fehler im selben Sinne gemacht wurde, und die Sache findet ihre einfache Erklärung
darin, dafs eben an jenen Abenden eine regelmäfsige Abnahme des Luftdrucks in geometrischer Pro-
gression, bei Zunahme der Höhe in arithmetischer Progression gar nicht stattfand, wie bei jener
Formel vorausgesetzt wird. Man macht sich deshalb eine ganz falsche Vorstellung, wenn man an-
nimmt, dafs unsere Atmosphäre zu jeder beliebigen Zeit genau nach den Gesetzen der Hydrostatik
und der mechanischen Wärmetheorie geschichtet sei, Sie ist es im Grunde genommen zu Keiner
Zeit, da derartige Störungen, wie die oben erwähnten, zu jeder Zeit an verschiedenen Orten. vor-
kommen.
3) Ich habe noch vor kurzem auf einer Eisenbahnfahrt folgende Beobachtung gemacht, Der
Rauch einer Cigarre bewegte sich ganz langsam nach dem geöffneten Coupefenster (Windseite), So-
bald er von dem heftigen Zugwind seitlich erfafst wurde, bildeten sich die prachtvollsten kleinen