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Full text: Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie, 12 (1884)

Veber Gewitter- und Hagelbildung. 
fort, und das Werk des einen Tages setzt sich nach nächtlicher Unterbrechung 
am anderen wieder fort. Bei Nacht können selbst wärmere Schichten über den 
unteren am Erdboden erkalteten schwimmen, bis die Insolation wieder wirksam 
wird. Der ganze untere Theil der Atmosphäre wird auf diese Weise und durch 
die Wärmestrahlung vom Erdboden, sowie jener der Sonne selbst bei ruhigem 
heiteren Sommerwetter ziemlich gleichmäfsig durchwärmt und aufgelockert.!) 
So wird die ganze Luftmasse allmählich durch die Wärme ausgedehnt, und die 
Flächen gleichen Drucks heben sich über dem erwärmten Lande, 
Denken wir uns also, dafs im Sommer über einem gröfseren‘ Gebiete der 
eben geschilderte Zustand in der Entwickelung begriffen sei. Die Hebung der 
Niveauschichten erstreckt. sich, wie wir eben gesehen haben, keineswegs 
bie zu sehr bedeutender Höhe oder gar bis zur Grenze der Atmosphäre, Die 
aufgestiegene Luftmasse mufs sich also seitwärts einen Ausweg suchen, worin 
sie durch die über ihr fast. immer bestehende westöstliche Luftströmung‘ öfters 
unterstützt werden mag. Doch findet sie diesen Ausweg wohl nicht immer 
sofort, sondern erst nachdem eine gewisse Spannung eingetreten ist. Dann wird 
das Abfliefsen nach irgend einer Richtung des geringsten Widerstandes erfolgen, 
und zwar öfters nur ruckweise oder stofsweise. Nun wissen wir jetzt bestimmt, 
dafs schon in oft relativ geringen Höhen heftige Luftströme nach den ver- 
schiedensten Richtungen hin existiren.*) Mag nun eine solche Luftströmung. in- 
folge des ruckweisen Abfliefsens der ‚hoch erwärmten Luft entstehen und von 
irgend einer Seite nachrücken, oder mag sie in kausalem Zusammenhange mit 
irgend einer Cyklone stehen, sie mufs, sobald sie in das Gebiet hoch erwärmter, 
feuchter, mit Wasserdampf fast gesättigter Luft eingedrungen ist, ein turbulentes 
Aufsteigen derselben infolge des labilen Gleichgewichtszustandes veranlassen. 
Dabei kann es nicht ausbleiben, dafs sich in der ganzen Breite dieser oberen 
Strömung zahlreiche Wirbel bilden.*) Je einer oder mohrere dieser Wirbel 
1) Bei einer Ballonfahrt wurde gegen Abend in der ganzen Luftschicht zwischen dem Erd- 
boden und 1800‘ Höhe kaum irgend eine Temperaturabnahme bemerkt, 
2) Diese Luftströme lassen sich durch die Theorie des Gradienten nicht genügend erklären, 
da man bis jetzt keine genügende Ursache für die Bildung der zur Erzeugung solcher Luftströme 
nöthigen Druckdifferenzen gefunden hat; aber dies ändert an der Thatsache der Existenz solcher 
Ströme durchaus nichts, Diese ist durch so zahlreiche Ballonfahrten in der direktesten Weise nach- 
gewiesen, dafs eben ein Zweifel absolut ausgeschlossen ist, Am auffallendsten erscheint mir bei 
diesen Luftströmen, dafs sie in oft scharf begrenzten Betten dahinfliefsen, ähnlich den Meeresströmen, 
und dafs ein solcher Strom durch seine abnorme Wärme oder Kälte, durch seine grofse oder geringe 
Feuchtigkeit, durch die Schnelligkeit seiner Bewegung und die Verschiedenheit seiner Richtung sich 
scharf abhebt von der von ihm durchfurchten Luft, Was soll man z,. B. dazu sagen, wenn Tissan- 
dier („Observat, met6orol. en ballon”, Paris 1879) bei einer Luftfahrt am 16. Februar 1873 in einer 
Höhe von 1600 m einen Luftstrom antraf, dessen Temperatur + 17,5° C. betrug, während die Wolken- 
schicht unterhalb desselben auf —2° C. erkaltet war, (Ich habe in der „Oesterr, Zeitschrift für 
Meteorol.“, 1883, Seite 113—114, zahlreiche Beispiele von Luftfahrten angeführt zum Nachweis der 
grofsen Verschiedenheit, der gerade in mittleren Schichten der Atmosphäre herrschenden Zustände in 
Bezug auf Temperatur, Spannung, Feuchtigkeitsgehalt, Richtung etc.) Auch folgt aus diesen starken 
Abweichungen der Luftzustände von den normalen, dafs es keineswegs gerechtfertigt ist, wenn man 
in Zeiten solcher Störungen die barometrische Höhenformel zur Berechnung des Barometerstandes 
etwa für die Höhen von 1000, 2000, 3000 m etc, anwenden will, um daraus die Isobaren für jene 
Höhenschichten abzuleiten, Herr R. Billwiller hat (s. „Schweizerische meteorol. Beobachtungen“, 
Jahrg. 9, 1872) für die dritte Dekade des Juli 1872 durch Umkehrung der Formel die Temperaturen 
berechnet, die aus den in Chaumont und Neuchätel abgelesenen Barometerständen folgen. Während 
nun die Differenz zwischen Beobachtung und Rechnung für 7b a, m,., 1% p. m. sich zwischen 0—2° C. 
bewegt, beträgt dieselbe für 9b p. m. bedeutend mehr, sie ist aber noch viel gröfser für die Abende 
des 27, und 28, (9° resp. 10,8° C.), wo eben ein Gewittersturm hereinbrach, der.die Imftdruckver- 
hältnisse derart störte, dafs eine Anwendung der Höhenformel ganz unstatthaft wurde, Das von 
Herrn Billwiller erhaltene Resultat scheint mir daher ebenso interessant als wichtig zu sein. Wenn 
aber der Verfasser meint, dafs Ablesungsfehler die Ursache dieser grofsen Differenz an jenen beiden 
Abenden sei, so erscheint es mir nicht wahrscheinlich, dafs an zwei Abenden hinter einander ein 
derartiger Fehler im selben Sinne gemacht wurde, und die Sache findet ihre einfache Erklärung 
darin, dafs eben an jenen Abenden eine regelmäfsige Abnahme des Luftdrucks in geometrischer Pro- 
gression, bei Zunahme der Höhe in arithmetischer Progression gar nicht stattfand, wie bei jener 
Formel vorausgesetzt wird. Man macht sich deshalb eine ganz falsche Vorstellung, wenn man an- 
nimmt, dafs unsere Atmosphäre zu jeder beliebigen Zeit genau nach den Gesetzen der Hydrostatik 
und der mechanischen Wärmetheorie geschichtet sei, Sie ist es im Grunde genommen zu Keiner 
Zeit, da derartige Störungen, wie die oben erwähnten, zu jeder Zeit an verschiedenen Orten. vor- 
kommen. 
3) Ich habe noch vor kurzem auf einer Eisenbahnfahrt folgende Beobachtung gemacht, Der 
Rauch einer Cigarre bewegte sich ganz langsam nach dem geöffneten Coupefenster (Windseite), So- 
bald er von dem heftigen Zugwind seitlich erfafst wurde, bildeten sich die prachtvollsten kleinen
	        
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