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Tägliche Änderungen der Windstärke.
gröfsten war; das letztere ist freilich, wie schon gesagt, an sich wenig be
weisend. Den Einwurf von Hann, dafs wohl einige Tage mit Gewitterstürmen
dieses Resultat hervorgebracht haben möchten, entkräftet Hamberg durch ein
gehende Darstellung der einzelnen Tage. In der Thatsaehe selbst sieht Herr
Hamberg die Hauptschwiorigkeit für meine, resp. Espy’s, Erklärung des
Phänomens (vgl. S. 26 seiner 1. Abh. und S. 46 der 2.). „Ist es“, fragt er,
„möglich, dafs diese täglichen periodischen, mehr oder weniger vertikalen Luft
ströme sich ausbildcu können bei bedecktem Himmel und dem stärksten Winde?“
Da von anderer Seite 1 ) in jüngster Zeit die Voraussetzung ausgesprochen worden
ist, als dächten sich diejenigen, welche von vertikaler Luftcirkulation sprechen,
dabei lothrecht, ohne horizontalen Ortswechsel, vor sich gehende Bewegungen,
so mufs ich zunächst zur gröfseren Klarheit bemerken, dafs es mir nie in den
Sinn gekommen ist, unter diesem Ausdruck etwas Anderes zu verstehen, als
dafs in der Bewegung der Luftmassen neben gauz beliebig grofsen horizontalen
Komponenten zugleich, sei es auch nur kleine, vertikale, auf- oder abwärts ge
richtete, Komponenten vertreten sind. Die Wirkungen einer vertikalen Be
wegung sind ja im Wesentlichen gleich, ob sich ihr Schauplatz in horizontaler
Richtung verschiebt oder nicht, wenn ihr Antrieb nicht etwa gerade an diesen
Schauplatz gebunden war, was im Allgemeinen gewifs viel seltener der Pall ist,
als Manche noch annehmen; auch für den Ort selbst ist es andererseits gleich,
wenn das Theilcheu durch andere, in ähnlicher Bewegung begriffene, ersetzt
wird. Antrieb zu vertikalen Bewegungen (oder Bewegungs-Komponenten) wird
nun durchaus nicht etwa nur durch Insolation gegeben, sondern ist auch bei
stürmischem trübem Wetter vielfach vorhanden, sei es durch Verstärkung der
vertikalen Temperaturabrahme durch Ueberfluthung warmer Luft seitens kalter
Strömungen, sei es durch Umsetzung der horizontalen Bewegung in geneigte an
AbhäDgen; die letztere Ursache ist in Gebirgs- und Hügelgegenden gewifs das
stärkste Momeut zur Hervorrufung vertikaler Bewegungen, kommt jedoch hier
wenig in Betracht. Die Frage ist nur, wodurch jene vertikale Cirkulation bei
starken Winden an die Tageszeit gebunden ist? Die Antwort mufs lauten, dafs
dieselbe so lange von der Tageszeit beemflufst werden mufs, als die vertikale
Temperaturabnabme von dieser becinflufst wird — mit anderen Worten unge
fähr so lange, als am Erdboden eine tägliche Wärmeschwaukung überhaupt
vorhanden ist — und dafs andererseits die Empfindlichkeit der veitikalen
Cirkulation für den Einfiufs dieser Temperaturschwankung sehr verschieden sein
mufs je nachdem, wie nahe die vertikale Temperaturabnahme jener Grenze ist,
welche bei dem gegebenen Feuchtigkeitsgehalte etc. der Luft dem Zustande
des labilen Gleichgewichtes entspricht. Bei Zuständen, wie sie in den von
Herrn Hamberg speciell herangezogenen 8 Tagen mit stärksten Winden waren,
wo stets ein barometrisches Minimum östlich von Upsala lag und in der Höhe
einen sehr kalten Luftstrom über die am Erdboden noch stagnirende wärmere
Luft hinwegführte, wird eine mittägliche Erwärmung der untersten Schicht von
nur wenigen Graden genügen, um dieses labile Gleichgewicht hervorzubringen,
während bei einer winterlichen Anticyklone, in welcher die Temperatur nach
oben sich nicht ändert oder gar zunimmt, auch eine relativ sehr starke tägliche
Temperaturschwankung an dem eminent stabilen Gleichgewicht nichts ändern
würde. Fernere Zusammenstellungen dürften beweisen, dafs im Winter gerade
die ganz heiteren oder auch theils heiteren, theils nebeligen Tage, welche der
Herrschaft eines ausgebildeten barometrischen Maximums entsprechen, eine sehr
geringe tägliche Periode der Windstärke aufweisen, weil die tägliche Periode
der Temperatur, wenn sie auch an diesen Tagen am Erdboden relativ bedeutend
ist, nicht hinreicht, um das eminent stabile Gleichgewicht zu beeinflussen; es ist
zu erwarten, dafs im Winter nur bei niedrigem Barometerstände Heiterkeit des
Himmels die tägliche Periode des Windes verstärkt.
Da nach unserer Voraussetzung die tägliche Periode der Windstärke
zum gröfsten Theile auf einer täglichen Periode des Verhältnisses zwischen
Windgeschwindigkeit und Gradient beruht, so gewinnt die, bisher noch nicht
aufgeworfene Frage wesentliches Interesse, ob der Quotient v/G durch blofse
Verringerung der Reibung in demjenigen (geometrischen) Verhältnifs sich zu
') „Wochenschrift für Astron., Met. ete.“, 1883, No. 19.