Tägliche Aeudernügen der Windstärke,
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1. Dort, wo sowohl die tägliche Aenderung der Temperatur als die
Verzögerung durch Reibung sehr gering sind, fehlt die mittägliche Verstärkung
— oder richtiger die nächtliche Abschwächung — des Windes auch au der
Erdoberfläche. Dieses trifft zu auf dem offenen Meere. Einerseits bedingt
nämlich die geringe Reibung an der Wasserfläche eine nur geringe Zunahme
der Windstärke mit der Höhe, andererseits ist der vertikale Luftaustausch hier,
wo die tägliche Schwankung der Lufttemperatur selbst in der untersten Schicht
nur etwa 0,7° beträgt (vgl. die M C7iaWe»£rer“-Beobnchtungen), so gut wie gar
nicht an eine tägliche Periode gebunden, sondern hängt in seiner Gröfse nur
von den uuperiodischen, durch Winde etc. bedingten Schwankungen im W’ärme-
verhältuifs der Luft zum Wasser und der Luftschichten zu einander ab. Sobald
die tägliche Periode der Temperatur und die Reibung zunebmeu, wie an Küsten
und Inseln, deutet sich auch das Mittagsmaximum der Windstärke an.
2. Dort, wohin die verstärkte vertikale Luftcirkulation der wärmsten
Tageszeit Luft aus schwächer bewegten Schichten bringt, findet eine Umkehrung
der Periode statt, indem diese Tagesstunden keine Vergröfserung, sondern eine
Verringerung der Windstärke zeigen. Dieses ist der Fall auf den Gipfeln von
Bergen, die sich über eine rauhe Landschaft mit kräftiger täglicher Wärme-
schwankuDg in eine gewisse Höhe erheben, ohne selbst die umgebende Atmo
sphäre stark zu beeinflussen. Wie grofs diese Höhe zu sein hat, ist noch nicht
bekannt und wird von vielen Umständen abhängen; über ein gewisses Niveau
hinaus mufs diese mittägliche Abschwächung und verniuthlich jede tägliche
Periode verschwinden.
8. Dafs die unter 1 und 2 besprochenen Verhältnisse in der Wirklich
keit zutreffen, haben wir bereits im Vorhergehenden kennen gelernt. Noch
nicht erwähnt sind dagegeu die folgenden charakteristischen Beziehungen der
täglichen Periode der Windstärke zu anderen Phänomeneu. Zunächst ihr Ver-
hältnifs zum täglichen Gange der Dampfspannung, ln allen Gegenden, wo die
Umstände für eine kräftige periodische Entwickelung der vertikalen Cirkulation
in der wärmsten Tageszeit günstig sind und die mittägliche Verstärkung des
W T indes hervortritt, zeigt die Dampfspannung, so weit bekannt ist, eine De
pression in den wärmsten Tagesstunden und ein doppeltes Maximum am Morgen
und Abend; diese Verminderung zur Zeit der gröfsten Wärme ist nur dadurch
erklärbar, dafs dampfärmere (weil vorher kältere) Luft aus den höheren Schichten
zum Erdboden gelangt. An der Meeresküste ist die Luft in der Lage, sehr
rasch Wasserdampf in sich aufzunehmen; trotzdem zeigen auch unmittelbar an
der Küste gelegene Orte in warmen Klimaten diese Abnahme der Dampfmenge
in der heifsesten Tageszeit, wenn auch in viel schwächerem Grade, als kon
tinentaler gelegene Orte gleicher Breite; jedoch nur am Boden des Luftmeeres,
im Tieflande oder auf Plateaus, zeigt sich diese Erscheinung; auf Berggipfeln
ist ebenso, wie die tägliche Periode der Wiudstärke, so auch jene der Dampf
spannung eine (für diesen Theil des Tages) umgekehrte, und erreicht dieselbe
das Maximum dann, wenn zur wärmsten Tageszeit die wärmeren und dadurch
dampfreicheren Luftmassen aus der Tiefe beraufkommon.
4. An denjenigen Leeküsten im Passatgebiet, welche keinen regelmäfsigen
Seewind haben, weht der über das Land kommende Passat am Tage stärker,
als in der Nacht, und zeigt derselbe ganz die für das Innere der Kontinente
charakteristische tägliche Periode der Geschwindigkeit. Das instruktivste Bei
spiel in dieser Hinsicht bieten die beiden im frischesten SE-Passat und gewisscr-
mafsen auf einem und demselben Stromfaden liegenden Inseln St. Helena und
Ascension, von welchen beiden Anemometer-Aufzeichnungen vorliegen, für
St. Helena von der ganz frei expomrtea Longwood-Hochebeue, für Ascension
von einem durch die Berge im Südosten weit überragten Hügel an der Lee
seite der Insel bei Georgetown, nahe am Meere.*) Während auf Longwood,
wie bereits gezeigt, der Passat ungefähr dieselbe geringe tägliche Schwankung
im Laufe des Tages erleidet, wie auf offenem Meere, erreicht der ebenfalls last
ununterbrochen aus SE und ESE (höchstens zwischen EzS und SEzS schwankend)
wehende Wind bei Georgetown das Maximum seiner Stärke um 17s h p. m. und
das Minimum um 2*/s h a. m., mit einem Verhältnis derselben wie 1,36: 1; dies
!) Vgl. „Zeitschr. f. MeteGvoI.*. 1879, pag. 377.
Anti. 4. Hydr. «tc., 1883, H#fl XI.