Meeresströmungen und Temperaturen des Südatlantischen Oceans.
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der bekannten officiellen englischen Publikation über die Oberflächentemperaturen
des Südatlantiseben Oceans diese Thatsachen bereits hervorgehoben and aus
den britischen Schiffsjournalen nachstehende Folgerungen gezogen sind:
1. dafs bei Rio de Janeiro auf der Küstenbank sich kälteres Wasser
befindet, als aufsorhalb derselben weiter in See;
2. dafs südlich von 35° S-Br das Verhältuifs sich umkehrt. Denn über
der Pata^cwia-Bank liegt hier das wärmere Wasser, das kalte dagegen befindet
sielt unmittelbar östlich von der Bank, könne aber nur als ein schmaler Streifen
gelten, denn noch weiter östlich sei das Wasser wieder entschieden wärmer;
3. dafs in der Nähe von 50° S-Br zwischen 47° und 53° W-Lg ein warmer
und ein kalter Strom nebeneinander liegen;
4. dafs unmittelbar unter der Küste bei Kap Horn das Wasser wärmer
ist, als weiter in See. 1 )
Der Verf. weist nunmehr darauf hin, dafs vielfach über der Patagonia-
Bank, so namentlich von deutschen Kriegsschiffen, nordöstliche Stromversetzungen
gemeldet worden sind, statt der nach Renne)] und Maury daselbst zu er
wartenden südlichen, uud äufsert seine Bedenken darüber, dafs man einerseits
eine so mächtige Strömung, wie die brasilische, ohne ersichtlichen Grund sich
tbeilen lasse, und andererseits, dafs man einer Strömung, die über den kaum
100—200 m tiefen patagonischen Gründen sich einher bewegen soll, soviel
mechanische und thermische Kraft zutraue, dafs sie nach submariner Durch-
schreitung der Kap Hom-Strafse noch im Süden von 60° S-Br klimatisch effekt
voll auftrete» könne.
Diese Widersprüche und Bedenken gaben dem Verf. Anlafs, auf Grund
der Schiffsjournale der Deutschen Seewarte die Strömungsverhältnisse in der
Nachbarschaft der FVütt'Ztmd-lnsoln zu untersuchen.
Der Verf. legt seiner Darlegung nicht die von den Schiffen direkt ob-
servirten Stromversetzungen zu Grunde, da hierbei manche trügliehen Momente
mit unterlaufen können, sondern vielmehr die Oberflächentemperaturen, da es
sich hier im Wesentlichen um die Grenzen zweier durchaus verschieden tempe-
rirter Wasserbewegungen, nämlich einer tropischen uud einer antarktischen
Strömung, handle. In der Tliat gehören die Oberflächentemperaturen, welche
in den Schiffsjournalen niedergelegt siud, zu den relativ zuverlässigsten Daten,
die an Bord observirt werden können. Im Speciellen hat der Verf. eine mehr
geographische Methode cingeschlagcn, indem er aus den Journalen nicht Kitlel-
temperaturoo für Eingrad- odor Zweigradfelder berechnete, sondern die Grenze
des warmen Stroms für jeden Breitengrad zu finden suchte. Es wurden nämlich
den Schiffsjournalen diejenigen Positionen, in welchen die Beobachter eine
plötzliche, mehr als 1° C. betragende Aenderuug der Wassertemperatur im
Zeitraum einer Wache (oder bei einer mittleren Distanz vou 20—30 Sin) kon-
statirt hatten, entnommen und in Tabellen eingetragen. Es ergab sich dabei
aus einer graphischen Darstellung mehrerer solcher Reisen, dafs in der That
die Anordnung der Oberflächentemperaturen eine solche ist, wie sie oben in
jener officiellen englischen Publikation dargestellt wird: also auf der patago-
wischen Bank, besonders im Südsommer, warmes Wasser, am östlichen Rande
der Bank als schmaler, von NNO nach SSW verlaufender Streifen kaltes Wasser,
dann aber noch weiter östlich eiue breite Masse recht warmen Wassers, meist
10° höher temperirt, als der kalte Strom.
Zunächst wurde nun die Westgrenze dieses letztgenannten warmen Wassers
festzustellen gesucht: zu dem Zwecke wurden die Positionen mit erheblichen
Tcmpeiatursprüugon ihrer geographischen Breite nach geordnet und aus den
Einzeldaten alsdann die mittlere geographische Länge dieser Stromgrenze be
rechnet. 2 ) Es stellte sich nun aufser der Hauptgrenze noch eine Anzahl von
im warmen Wasser selbst wieder gelegenen sekundären Stromkanten heraus,
die indefs an Bedeutung der Hauptkoutur naehstehen. In der nachfolgenden
Tabelle reprodneiren wir die vom Verf. berechnete mittlere Lage der Westkante
l) Charts of Surface Temperature of the South Atlantic Ocean in each Month of the year,
issued under the committee of the Meteorological Office. London 1869. Introduction p. VI.
-} Tempcratiuspritnge von mehr als 5° C. erhielten dahei das doppelte, solche von mehr als
7.5° das dreifache Gewicht, da in ihnen die Stromkante offenbar schärfer zum Ausdruck gelangte,
als bei den anderen.