Temperaturbcobachtungen im Themse-Wasser.
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Temperaturbeobachtungen im Themse-Wasser.
(„Proceed. of the R. Soc.“ Yol. XXXIV, No. 222.)
Seit dem Jahre 1844 wurden mit einer kurzen Unterbrechung im Jahre
1870 in der Themse regelmäfsige Beobachtungen über die Temperatur des
Wassers angestellt und wöchentlich dem Observatorium zu Greenwich überreicht,
wo dieselben reducirt und mit den Beobachtungen der Lufttemperatur ver
glichen wurden. Sir George Biddel Airy legte die Resultate dieser Messungen
der „Royal Society“ vor, nachdem er einen Bericht über den Verlauf der
Beobachtungen und die Art ihrer Reduktion gegeben hatte. Das Material ist
in fünf Tabellen zusammengestellt, von denen die erste die Monatsmittel der
Temperatur des Themse-Wassers bei Greenwich enthält, die zweite die Monats
mittel der Temperatur der Luft am Observatorium zu Greenwich, die dritte die
Monatsmittel der Differenz zwischen den Temperaturen dieser beiden Reihen,
die vierte die Monatsmittel der täglichen Schwankung der Wassertemperatur
und die fünfte die Monatsmittel der täglichen Schwankung der Lufttemperatur
zu Greenwich. Herr Airy zieht aus diesem Beobachtungsmaterial folgende
Schlüsse:
1. Die mittlere Temperatur des Themse-Wassers ist um 0,8° C. höher als
die des Thermometers des Observatoriums. 1 ) Aber die Lage des Observatorium-
Thermometers ist etwa 49 m höher, als die der T/tcmse-Thermometer. Es
scheint somit wahrscheinlich, dafs die mittlere Temperatur des Wassers nur um
einen kleinen Bruchtheil eines Grades höher ist, als die klimatische Temperatur.
2. Dieser Unterschied ist nicht das ganze Jahr hindurch gleichmäfsig.
Abgesehen von einigen Unregelmäfsigkeiten tritt der gröfste Ueburschufs der
TAmse-Temperatur im Oktober ein, der kleinste im Februar; der Unterschied
im Herbst übertrifft den im Frühling aber nur um 1°. Es scheint nicht
unwahrscheinlich, dafs dies die Wirkung einer schwachen Kommunikation mit
dem Meere ist, dessen Oberflächenwasser im Herbst die Wirkung der Sonnen
strahlung während des Sommers aufgehäuft hat; in der entgegengesetzten Jahres
zeit ist die Wirkung die umgekehrte.
3. Die mittlere Temperaturschwankung während des Tages beträgt über
1°, und dies drückt die numerische Aenderung aus von der tiefsten Sonnen
temperatur, oder der tiefsten Temperatur bei der ersten Fluth, oder der tiefsten
Temperatur bei der zweiten Fluth (je nachdem die eine oder die andere die
tiefste ist), bis zur höchsten Sonnentemperatur, oder der höchsten Temperatur bei
der ersten oder der zweiten Fluth (je nachdem die erste oder zweite die höchste
ist). Es ist klar, dafs die Temperaturänderung, die von der täglichen Aenderung
der Sonnenwirkung herrührt, und die Temperaturänderung, die von jeder der
Gezeiten herstammt, einzeln betrachtet, sehr klein sein mufs.
4. Hieraus scheint der hauptsächlichste Schlufs der zu sein, dafs die
Wassermasse bei Greenwich durch die Gezeiten sehr wenig geändert wird.
Obwohl eine grofse Masse von Wasser bei jeder Fluth aufsteigt, die mit grofsor
Geschwindigkeit fliofst und zuweilen die Oberfläche um 20Fufs (0,6m) hebt, so fliefst
doch dasselbe Wasser bei der Ebbe wieder ab uud wird bei der nächsten Fluth
mit all seinem Inhalt wieder heraufgebracht. Diese Wertho müssen als durch
das Niedersteigen von frischem Wasser vom Lande her modificirt aufgefafst
werden: aber die Menge dieses Wassers mufs klein sein im Vergleich mit der
Masse, die es in der Themse bei London findet.
5. Herr Airy ist nicht der Meinung, dafs die Gezeitenwirkung auf das
Klima von London irgend einen wohlthätigen Einflufs ausübt, aufser dafs wahr
scheinlich die Bewegung des Wassers eine mechanische Agitation der Luft er
zeugt und so schädliche Stagnationen vernichtet.
Nachstehende Tabelle (s. „Oesterr. Zeitschr. f. Met.“, 1883, Heft 6) giebt
die numerischen Beläge für die Sätze ad 1, 2, 3.
!) Vgl. auch Dove in „Neumann’s Zeitschrift f. allgem. Erdkunde“, N. F. Bd. 3 (1857),
pag. 523, welcher im Durchschnitt aus 77sjährigen Beobachtungen in 0,6 m Tiefe die Temperatur der
Themse bei London um 1,2° höher fand, als die der Luft (10,9° gegen 9,7°).