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Full text: Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie, 11 (1883)

Andrios: Resultate ans fünfjährigen meteorologischen Beohachtongen etc. 
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Herrschaft östlicher Winde zu leiden haben. Sie drücken erstens die Temperatur 
häufig unter den Gefrierpunkt gerade zu einer Zeit, wo die erwachende Vegetation 
sehr empfindlich gegen Fröste ist, und haben zweitens meist eine zu grofse Trocken 
heit im Gefolge, die besonders im Mai, der ziemlich grofse Feuchtigkeit verlangt, 
schädlich wirkt. Darum besteht auch in Bezug auf frühzeitige oder späte Ent 
wickelung der Pflanzenwelt infolge der Kälte und Trockenheit im Frühjahre 
unter den einzelnen Jahren ein grofser Unterschied, wie dies am besten die 
beiden Jahre 1878 und 1879 beweisen. Während im Frühjahr 1878 unter der 
Herrschaft von warmen und allerdings trockenen Winden die Vegetation gegen 
Giessen nur um drei Tage zurüekblieb, betrug diese Verspätung im Jahre 1879 
volle 18 Tage. Der April dieses Jahres blieb aber auch im Mittel 2° C. unter 
dem normalen Werthe, ebenso der Mai desselben Jahres um 0,9° C. Noch in 
den ersten acht Tagen des Mai sah die hiesige Gegend so kahl aus, wie mitten 
im Winter, und erst als in der zweiten Dekade SW-Winde mit Regen auftraten, 
fing die Pflanzenwelt zu treiben an. Aehulichc Witterungsverhältnisse fanden 
im Jahre 1877 statt. Auch im Mai 1876 trat infolge vorwaltcnder Ostwinde 
eine solche Temperaturerniedrigung eiD, dafs das Monatsmittel um volle 2,5° C. 
unter dem normalen Werthe blieb. 
Trotzdem richten diese E- und NE-Winde im Allgemeinen hier weniger 
Schaden an, als im Süden Deutschlands; denn einerseits sinkt die Temperatur 
Nachts durch den mildernden Einflufs dos nahen Meeres nicht so tief, wie im 
Innern, andererseits ist die Vegetation gewöhnlich noch im April und Mai weiter 
zurück, also auch weniger durch Nachtfröste gefährdet. 
Eine hervortretende Eigentümlichkeit des hiesigen Küstenklimas bildet 
die grofse Veränderlichkeit der Windrichtung. Sie findet aber ihre Erklärung 
darin, dafs die mittlere Bahn der meisten Cyklonen in unserer Nähe liegt, was, 
wie bekannt, eine rasche Drehung des Windes bei jeder auftreteuden Cyklone 
bedingt. Diese Veränderlichkeit wird noch gesteigert durch zahlreiche sekundäre 
Depressionen, die sieh in ihrer Wirkung mehr au der Küste geltend machen 
und das Binnenland, besonders das südliche, wenig oder fast gar nicht in Mit 
leidenschaft ziehen; ferner durch dio lokalen Land- und Seewinde, die sich 
besonders im Vorsommer geltend machen (sogar schon im März). Diese rasche 
Aenderung der Windrichtung hat nun zur unmittelbaren Folge eine ebenso 
rasche Aenderung der Temperaturverhältnisse, und es erklärt sich daraus die 
gröfsere Veränderlichkeit, des Wetters an der Küste gegenüber dem Binnenlande. 
Ein bemerkenswerther Umstand ist die grofse Windstärke in hiesiger 
Gegend. Wenn man von der Thatsaehe abseben will, dafs die Windstärken nach 
unserem Anemometer immer gröfser sind, als diejenigen irgend eines anderen 
Ortes an der Nord- und Ostsee (welche Erscheinung wahrscheinlich lediglich 
darin ihre Erklärung findet, dafs das hiesige Anemometer sehr günstig, d. h. 
hoch und frei, aufgestellt ist iu Bezug auf seine Umgebung), so unterliegt es 
doch keinem Zweifel, dafs dio Stärke des Windes sehr rasch mit der Annäherung 
an die Küste zunimmt. Mancher Monat weist 12—15 Tage auf, wo die Wind 
stärke während einzelnen und häufig auch während vielen Stunden 15m pro Sek. 
übersteigt, ja es kommen mehrfach Tage vor, wo im Mittel aller 24 Stunden 
die Windgeschwindigkeit über 20m pro Sek. beträgt. Die gröfste hier beob 
achtete Windgeschwindigkeit betrug 30,6m am 29. Oktober 1880. Sehr selten 
kommt der Fall vor, dafs in einem zehntägigen Abschnitt die Geschwindigkeit 
nicht ein Mal 10m pro Sek. erreichte. Eine Vergleichung der Jahresmittel der 
Windgeschwindigkeit unserer Station mit einer solchen im Binnenlande läfst am 
besten den grofsen Unterschied beider erkennen. Nehmen wir als Verglcichungs- 
ort Leipzig an. Dort beträgt das Jahresmittel (aus zwei Jahren abgeleitet) 
2,20m pro Sek., während es hier (ebenfalls aus zwei Jahren) 7,2m beträgt. 
Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dafs in Leipzig das Anemometer sich 
blos in einer Höhe von 7,5m über dem Erdboden befindet, während dasselbe 
hier ca 18m über der Erde befindlich ist. Selbst mit Berücksichtigung dieses 
Umstandes bleibt aber der Unterschied doch noch immer sehr grofs.
	        
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