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niedriger und an der Ostküste von Amager ein hoher Wasserstand ist; zugleich
veranlassen diese Winde im Sunde und im Hafen von Kopenhagen einen südlich
selzenden Strom.
Auf Grund dieser Beobachtungen stellt Prof. Colding für die Beziehungen
zwischen den Winden, den Strömungen und dem Wasserstande in der Ostsee
folgende zwei Sätze auf (s. a. a. 0. pag. 295; Resumé pag. 53):
1. „Die Westwinde treiben das Wasser der Ostsee nach den Küsten
von Russland hin und erhöhen dort das Wasserniveau, während dasselbe an
den schwedischen Küsten, südlich von diesen, sowie an den südlichen Küsten
der Ostsee und längs der dänischen Inseln niedriger ist. Dieser niedrige Wasser
stand südlich von Falsterbo veranlafst seinerseits eine vom Sunde in die Ostsee
fliefsende Strömung. Diese selben Westwinde treiben ferner das Wasser der
Nordsee in das Kattegat, zu gleicher Zeit, als das Wasser des Kattegat von
der Küste Jütlands nach den schwedischen Küsten hingedrängt wird, so dafs
bei Helsingör ein hoher Wasserstand ist. Diese verschiedenen Wirkungen der
Westwinde liefern vereint die Bedingungen für einen starken nach Süden durch
den Sund setzenden Strom.“
2. „Die Ostwinde üben eine entgegengesetzte Wirkung aus; sie treiben
das Wasser des Kattegat in die Nordsee und weit weg von der schwedischen
Küste; hierdurch wird ein niedriger Wasserstand bei Helsingör hervorgebracht
und die Bedingung für einen durch den Sund gehenden, von Süd nach Nord
gerichteten Strom erfüllt. Andererseits häuft der Ostwind das Wasser der
Ostsee an den dänischen Küsten südlich von Schweden an, und dieser hohe
Wasserstand südlich von Falsterbo, verbunden mit dem niedrigen bei Helsingör,
bringt folglich im Sunde einen verhältnifsmäfsig starken, nach Norden setzenden
Strom hervor.“
Die grofse Sturmfluth vom 13. November 1872 gab Herrn Prof. Colding
Veranlassung, seine oben erwähnten Beobachtungen und Ansichten über die
Einwirkungen des Windes auf die Strömungen und den Wasserstand hinsicht
lich ihrer Richtigkeit auch für andere Stellen an den Küsten der Ostsee zu
prüfen. Dio furchtbaren und ungemein schnell sich fortpflauzenden Ueber-
schwommungen an der dänischen und deutschen Küste standen in keinem Verhält-
nifs zu der Stärke des Sturmes, welche nicht gröfser war, als in anderen
Fällen, und dies führte Prof. Colding zu der Ansicht, dafs die Sturmfluth des
November 1872 eine — wenn auch viel grofsartiger und in viel weiterer Ver
breitung aufgetretene — Wirkung derselben Ursache sei, welche er im
Oktober 1858 in der Umgebung von Kopenhagen nachgewiesen habe.
Auf die von Prof. Colding au verschiedene Zeitungen und Behörden
Dänemarks und Deutschlands gelichtete Bitte, ihm, diese Sturmfluth betreffende
Beobachtungen und Untersuchungen einzusenden, erhielt er ca 400 Mittheilungen,
unter diesen als die bedeutendste die Abhandlung von Herrn Geh. Baurath
Baensch: „Die Sturmfluth an den Ostseeküsten des Preufsischen Staates vom
12/13. November 1872. 33 S. Folio mit 10 Kupfertafeln. Im Aufträge dos
Minist, f. Handel, Gewerbe u. öffentl. Arbeiten. Berlin, 1875.“')
Aus den hieraus gewonnenen Angaben und aus den, ihm von dem
dänischen Meteorologischen Institut zu Kopenhagen zur Verfügung gestellten
synoptischen Karten über die in den Tagen vom 12.—14. November 1872
stattgehabte Vertheilung des Luftdrucks, die Richtung und Stärke des Windes
in dem Gebiete von Süd-Europa bis Spitzbergen und von Amerika bis in das
Innere von Russland hat Prof. Colding auf 6 Tafeln die Wasserhöhen, den
Luftdruck, die Geschwindigkeit und Richtung des Windes für 274 Orte inner
halb der oben erwähnteu Gebiete in den Tagen vom 12.—14. November
graphisch dargcstellt. Ferner hat Prof. Colding auf 8 Tafeln für diese drei
Tage von 6 zu 6 Stunden synoptische Karten für Nord- und Mittel-Europa
konstruirt und eine Kaite für den 13. November 2 h p. m., zu welcher Zeit die
Ueberschwemmungen an den dänischen Küsten ihr Maximum erreichten.
Prof. Colding fafst die sich aus diesen Karten ergebenden Schlüsse
folgcDderaiafseu zusammen (s. a. a. 0. pag. 298—304 bezw. 56—62):
' ) Diese auf ein reiches amtliches Material gestützte Abhandlung giebt eine sehr detaillirte
Darstellung (in Text, Tabellen und Tafeln) des Gesammtverlaufes dieser Erscheinung nnd ihrer
Folgen für die Stranddistrikte der deutschen Küste der Ostsee und der innerhalb derselben
gelegenen Bauten.