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Full text: 10, 1882

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unten zu leicht vorwärts sich ausbeugender Umrifs des vorderen Randes der 
Regensäule besser, doch habe ich einen solchen Umrifs noch nicht selbst mit 
Sicherheit beobachtet, und seine Darstellung deshalb lieber vermieden. 
Auf das seitliche Zuströmen der Luft in der Höhe der Wolke zum Ersatz 
der mit dem Regen aus ihrer Mitte herabstürzenden hat bereits Colladon aufmerk 
sam gemacht; ich glaube, dafs die in Fig. 3 eingezeichueten Pfeile die Möglichkeit 
andeuten, den Widerspruch zwischen der absteigenden Bewegung im Regen und 
der Persistenz der Wolke aufzulösen; die Verschiedenartigkeit dieser relativen 
Bewegungen innerhalb des Regenschauers resp. der Böe bedingt nur, dafs dio 
Geschwindigkeit der Strömung relativ zur Erdoberfläche an verschiedenen 
Stellen des Schauers eine sehr verschiedene sein mufs, indem sie stets mit dem 
Querschnitt des betreffenden Stromtheiles sich ändert. 
Dafs die charakteristische Erscheinung des dunklen Wolkenwulstes und 
der helleren Regenmasse dahinter, resp. des Aufhellens beim Losbruch des 
Regens, wenn sie auch in der meteorologischen Litteratur seltsamerweise nirgends 
erwähnt wird, wetterkundigen Leuten nicht entgangen ist, beweist der Umstand, 
dafs es volkstümliche Bezeichnungen für dieselbe gicbt. In Tyrol nennt man, 
wie mir Herr Prof. Hann mittheilt, die hello Fläche unter den dunklen Wolken, 
welche den Regen darstellt, „die Wasserlichten“ und sagt z. B., wenn diese 
Fläche über den Bergen hervorkommt und der starke Regen unmittelbar bevor- 
stcht: „hiarzt (jetzt) kummt d’ Wasserliachtcn“; an der Unterelbo sagt man 
dagegen, wenn eine hellere Partie in anhaltendem Regen sich heranuaht: „dat 
wittäugt, dat giwt noch mehr“. Im letzteren Falle hat man es mit Regen 
schauern zu thun, die in andere Wolken so eingebettet sind (nach CI. Ley’s 
passender Bezeichnung), dafs ihre Struktur und Form sich der Beobachtung 
völlig entziehen. 
Vergleicht mau das auf den letzten drei Seiten Gesagte mit moineu 
früheren Aeufserungen über die Natur der Böen in diesen Annalen, 1879, 
S. 326—330, so wird man leicht sehen, dafs ich nach wie vor dem Absteigen 
der kalten und von Regentropfen belasteten Luft eine wesentliche Rolle beim 
Zustandekommen der Böe zuschreibe, jedoch (für die Böe vom 9. August 1881 
mindestens) nicht mehr ein so grofses Gewicht auf das Herabbringen gröfsorer 
Geschwindigkeit des Luftstroms aus der Höhe logen kann, wie in jenem Auf 
sätze geschehen ist, da die Thatsachen dio Annahme einer so bedeutenden 
Geschwindigkeit der Luftbewegung in der Höhe am 9. August 1881 nicht ge 
statten. Berechnen wir den barometrischen Gradienten in 1200 m Höhe um 
2 h p. m. auf zwei Linien, welche annähernd mit seiner Richtung zusammenfallen 
müssen, so erhalten wir für die Strecke Wiesbaden -Leeuwarden 2,15 und für 
die Strecke Jena-Helgoland 2,0, unter Zugrundelegung der am Erdboden beob 
achteten Temperaturdifferenz der Orte: das sind Gradienten, welche auch bei 
völliger Abwesenheit von Reibung und gleichförmiger geradliniger Bewegung 
nur Geschwindigkeiten von 18—19m per Sekunde entsprechen; beim Herab 
steigen wurde also die Geschwindigkeit mindestens verdoppelt. Man vergifst 
eben beim Heranziehen einer ohne Weiteres nach Analogio mit anderen Fällen 
vorausgesetzten ungeheuren Geschwindigkeit der oberen Luftströmung allzu 
leicht, dafs dieselbe nach den jetzigen Kenntnissen über die Mechanik der 
Atmosphäre in einem nothwendigen, wenn auch durch verschiedene Bedingungen 
in gewissen Grenzen veränderlichen, Verhältnifs zur Gröfse des Gradienten in 
jener höheren Schicht stehen mufs, und dafs dieser obere Gradient sich bei 
annähernder Kenntnifs der Tempcratur-Verthciluug aus den unten herrschenden 
Druck Verhältnissen berechnen lassen mufs; es steht Einom also durchaus nicht 
frei, beliebig grofsc Windgeschwindigkeiten in der Höhe anzunehmen. Eine 
stete Berücksichtigung dieser Momente, wenn auch nur in rohen Ueberschlägen, 
ist nothwendig, um uus davor zu schützen, dafs wir in den oberen Luft 
strömungen uns einen ebensolchen bequemen deus ex machina ausbilden, wie 
es längere Zeit der Polar- und Aequatorialstrom waren.') 
') Diese Bemerkungen gelten in hohem Mafse auch für den neuesten Versuch des Herrn 
Dr. Andries, die Erscheinungen der Windhosen, Tornados und selbst Cyklonen auf ,die Stofs- und 
Saugwirkung heftiger oberer Luftströme zurückzuführen. Vergl. Zeitschr. f. Meteorol. 1882, August 
und Oktober.
	        
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