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Aus diesen Temperaturreihen sind in der oben erwähnten Abhandlung
von Direktor van Heerdt acht Schnitte gelegt worden, nämlich je drei Längs
schnitte und Querschnitte und zwei Diagonalschnitte, welche uns einige Auf
schlüsse über die Temperaturvertheilung in dem betreffenden Theilo des Barents
Meeres geben. Eine Diskussion dieser Schnitte führt zu folgenden Thatsachen:
Der erste Längsschnitt, genommen aus den Temperaturreihen No. 2, 3, 4
und 5, ergiebt in den oberen Schichten eine beträchtliche Steigung der Iso
thermen des warmen Wassers (von über 4° bis 0°) in der Richtung Süd—Nord;
bei der Reihe No. 2 liegt die 0°-Isotherme in ca 220m; bei No. 5 in ca 50m.
Zwischen den Stellen der Temperaturreihen No. 3, 4 und 5 trifft man von
60—80m bis zu 200m Tiefe (s. No. 4) einen warmen Streifen von Wasser über
0° zwischen zwei kälteren (s. unten). Der zweite durch No. 6 uud 10 gelegte
Schnitt zeigt die Lagerung einer bei No. 6 bis nahe an die Oberfläche reichen
den kälteren Wasserschicht zwischen zwei wärmeren, während der dritte
durch No. 1, 8 und 9 gelegte die in dem ersten Längsschnitt und auch in
anderen arktischen Meerestheilen nachgewiesene Tliatsache einer warmen Wasser
schicht zwischen zwei kalten nachweist.
In dem ersten der drei Querschnitte, gelegt durch No. 1, 10 und 2,
sind die Isothermen von 4° bis 0° in No. 10 dicht zusammengedrängt; die
0°-lsotherme liegt schon in ca 45 m Tiefe und die von —1° in 100 m, während
die erstere Isotherme in No. 1 die Tiefe von 120 in und in No. 2 von 200 m
erreicht, und die von —1° in No. 1 in 240 m liegt und in No. 2 den Boden iu
270 m gar nicht erreicht.
Der zweite Querschnitt, gelegt durch No. 9 und 3, also durch den
Parallel von ca 75° 17', zeigt eine bemerkenswerthe Senkung der Isothermen
von Westen nach Osten, eine Erscheinuug, welche auch in dem dritten Quer
schnitt (durch No. 5, 6, 7 und 8) deutlich wahrzunehmen ist; zwischen No. 5
und 6 ist die 0°-lsotherme durch einen Streifen wärmeren Wassers, welcher
nach Osten zu an Tiefe zunimmt, in zwei Theile getrennt. Man kann diese
warme Schicht Wasser zwischen zwei kälteren als eine nordwestliche Fort
setzung der bei dem ersten Längsschnitt erwähnten betrachten.
Diese selbe Erscheinung zeigt sich auch in dem von SW nach NO
gerichteten Diagonalschnitt (durch No. 1 und 5). Aus allen diesen Schnitten
geht also hervor, dafs in dem ganzen Gebiet die von dem „ Willem Barents“ im
Sommer 1878 genommenen Temperaturreihen zwischen 72° bis 77° N-Br und
37° bis 45° O-Lg warme und kalte Wasser schichten übereinander gelagert sind.
Der zweite von NW nach SO gerichtete Diagoualschnitt, welcher durch No. 7
und 2 gelegt ist, zeigt, im Gegensätze zu dem ersten, eine von dem Orte No. 7
aus südöstlich gerichtete ca 100 m tiefe kalte Wasserschicht von mehr als—1°
zwischen zwei wärmeren von 0°; in No. 7 reicht diese fast bis an die Ober
fläche und lagert in immer gröfserer Tiefe, je näher sie dem Orte No. 2
kommt, wo die Abnahme der Temperatur von der Oberfläche bis zum Boden
eine regelmäfsige ist. Die obere Isotherme von 0° in No. 7 liegt iu ca 6 m,
in No. 2 dagegen erst in ca 210 m Tiefe, der südlicheren Lage entsprechend.
Im Allgemeinen ist noch zu erwähnen, dafs, je näher dom Eise, desto höher
das kalte Wasser zur Oberfläche empordrang; so war am 1. August die Tempe
ratur von 0° in einer Tiefe von 50 m zu finden, dagegen am 6. August in
ungefähr derselben Breite von 77° Nord aber mitten im Eise schon in 8 m
Tiefe eine Temperatur von —0,2° gefunden worden.
Die in den beiden Expeditionen von 1879 und 1880 erlangten Ergeb
nisse der Tiefseeforschungen des „ Willem Barents 11 werden wir in einem
späteren Nachtrage zu diesem Artikel mittheilen, weil uns das betreffende
Material bis jetzt nicht zugänglich geworden ist. Für die vierte Expedition im
Sommer 1881 können wir hier den uns durch die Freundlichkeit des Herrn
Dr. Be hm in Gotha zugegangenen (nicht im Buchhandel erschienenen) aus
führlichen Bericht des Kommandanten der Expedition, Lieut. van Broek-
huijzen, an das Kommittee für die niederländischen Polarfahrten (Haarlem,
1882, 146 Seiten und 2 Karten) benutzen.
Die während dieser Expedition gemachten wissenschaftlichen Beobach
tungen erstreckten sich auf physisch-oceanische, meteorologische, magnetische
und zoologische Erscheinungen und Verhältnisse.