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Full text: 10, 1882

61.4 
witter auch hier vorhergegangen war, mit grofser Heftigkeit auf, und hat sie 
namentlich durch einen erschütternden Unglücksfall, den Untergang von acht 
Menschen durch Kentern eines Bootes beim Fischlande, sich für lange Zeit dem 
Gedächtuifs der Bevölkerung eingeprägt. 
In Warnemünde herrschte nach Mittheilung des Beobachters, Lotsen- 
kommandeur Jantzen, am Vormittage frischer SE mit halbbedecktem Himmel 
und sehr schwüler Witterung. Um Mittag bedeckte sich der Himmel mehr und 
mehr und wurden Gewitterwolken sichtbar. Um 2 h p. m. starkes Gewitter mit 
heftigem Regen, der Wind sprang dabei nach West um, drehte jedoch bald 
darauf wieder nach SSE zurüek. Nun erst, um 3 1 /* 1 " p. m., trat unter Umspringen 
des Windes von Süd nach West die orkanartige Böe ein, welche hier ganz 
ohne Niederschlag vorüberging; während der Böe ging der Wind bis nach 
WNW um, jedoch sehr bald darauf nach WSW und SW zurück, iu welcher 
Richtung er alsdann verblieb, zunächst mäfsig wehend, am Abend unter Regen 
schauern wieder auffrischend. Ob der Hagel, welcher westlich von Warnemünde 
die Felder der Ortschaften Arendsee und Bastorf (am Westende des Heiligen 
Dammes) verwüstete, bei der Böe oder beim vorhergehenden Gewitter fiel, ist 
unbekannt, das orstere jedoch wahrscheinlicher. 
Während ihres Vorüberganges bei Warnemünde soll die Böe von zwei 
Windhosen begleitet gewesen sein, deren eine in See l /-' Hm nördlich vom Ort, 
die andere südlich davon über den Breitling ging; doch wurden auch im 
Zwischenräume, in Warnemünde selbst, die Dächer verschiedener Häuser sowie 
die Mühle demolirt. 
Von ihrer Normalbeobachtungsstation zu Wustrow auf dem Fischlande 
hat die Seewarte vom Beobachter Navigationslehrer Brandes folgenden Be 
richt erhalten: „Bis 2 h p. m. war der Wind frisch aus SE und SSE, mit einer 
mittleren Geschwindigkeit von 8,9m per Sekunde, bei schwüler drückender Luft. 
Gegen Mittag zeigte sich am westlichen Horizonte schweres Gewölk; bald nach 
2 h p. m. hatten wir ein ziemlich starkes Gewitter mit heftigem Regen und einer 
harten Böe aus SSW, welches uugefähr 15 Minuten dauerte, daun sprang der 
Wind wieder auf SE, Stärke 3. Fischer Jungmann von hier, der während 
dieses ersten Unwetters seiner Beschäftigung auf der Ostsee nahe der Küste in 
einer Jolle oblag, und dem nachher mehrere der Verunglückten (vgl. unten) 
ihr Lehen verdankten, versichert, auf See sei der Wind nicht, wie am Lande, 
SW und SSW gewesen, sondern SE und SSE geblieben, zu seinem Glück, 
denn sonst würde auch er mit seinen Kameraden die Küste nicht erreicht 
haben. Dies Gewitter hatten die später Verunglückten, den Strand mit 
ihrem offenen Boot nehmend, in Sicherheit am Lande vorüberziehen lassen, der 
wieder einsetzende SE-Wiud verleitete sie leider, trotz der noch immer drohen 
den schweren Wolkenmassen in West, die kurze Strecke bis Wustrow uicht 
zu Fufs, sondern zu Boot zurückzulegen. Fischer Jungmann, der die Küste 
glücklich gewonnen hatte, beobachtete mit seinen Kollegen das wieder in See 
stechende Boot, und zugleich mit ängstlicher Erwartung den immer drohender 
werdenden westlichen Horizont. Bald nach 3 b p. tu., so berichten die Fischer, 
kam von WSW das Unwetter mit rasender Geschwindigkeit heran, der Wind 
habe das Wasser wolkenähnlich vor sieh her geschoben, dann, nahe der Küste, 
seien aus dieser Verderben bringenden Masse zwei Wasserhosen entstanden 
und die eine derselben habe in ihrem Laufe das Boot getroffen und gekentert. 
Andere Beobachter haben die Wasserhose daun auch noch über die, südlich 
von Wustrow hinter den Dünen liegende weite Wiesenfläche mit rasender Ge 
schwindigkeit daliin eilen sehen. Unter starkem Regengufs fegte die Böe mit 
orkanartiger Heftigkeit darauf über unsern Ort und richtete in Gärten und 
Feldern Verwüstungen an. Die Dauer derselben war etwa 10 Minuten, Hagel 
fiel nicht, der Wind blieb hernach westlich, steif, bei bedecktem Himmel. Die 
Uhren der Verunglückten standen auf 3V* Uhr. Der Seegang und die Strömung 
waren nach dem Unwetter so stark, dafs zum Aufsuchen der Leichen kein Boot 
flott gemacht werden könnte.“ 
Ueber die erwähnte unglückliche Bootfahrt selbst ist den Zeitungen zu 
entnehmen, dafs dieselbe von zwölf Badegästen aus Müritz mit der Jolle eines 
dortigen Büdners unter dessen Führung gegen Mittag „bei schönstem Wetter“ 
unternommen wurde. Das Boot wurde so nahe als möglich unter Land ge
	        
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