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Full text: 10, 1882

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Ganz ebenso war der Verlauf der Witterung am 9. nach der Schilderung 
einiger mir bekannter Badegäste in dem benachbarten Seebad Boltenhagen, nur 
dafs hier schon gegen 12 h Gewitterwolken und um 12 8 /i h (Ortszeit) anhaltendes 
fernes Donnern beobachtet wurde. Die Zeit des Eintritts war dieselbe wie in 
Grevesmühlen (zwischen 2 h 15” und 2 h 30”), die Abkühlung sehr auffällig, der 
vorhergehende Regenschauer wurde auch liier beobachtet; mit der Böe soll hier 
aber nur wenig Regen gefallen, und im Laufe des Nachmittags sollen noch 
mehrere Regenschauer vorgekommen sein. 
Die Mehrzahl der Naehinittagszüge der Mecklenburgischen Eisenbahu, 
nämlich die Züge No. 3, 6, 15 und 18, wurden vom Sturm auf der Station 
Kleinen oder in deren unmittelbarer Nähe getroffen. Die hügelige und tlieil- 
weise waldige Gegend ist hier der Beobachtung ungünstig, und hierin dürfte 
der Hauptgrund dafür liegen, dafs die Angaben der 10 auf diesen Punkt be 
züglichen unter den zurückgelieferten Fragebogen (9 vom Personal der Züge, 
1 vom Stationsvorsteher) in der Zeitbestimmung nicht so gut übereinstimmen, 
wie es an anderen Punkten wohl der Fall ist; doch wird dieses nicht der 
einzige Grund sein, sondern deutet Einiges darauf hin, dafs hier das Phänomen 
nicht in seiner vollen Plötzlichkeit und Gröfse auftrat, sondern Kleinen an der 
WSW-Spitze eines, über Rostock und Schwaau gehenden Streifens lag, der von 
der Böe, welche die nördlich und südlich davon belegenen Gegenden heimsuchte, 
vorhältnifsmäfsig verschont geblieben ist. Drei Aussagen vereinigen sich dahin, 
dafs der Wind schon zwischen 2 h 6” und 2 h 10” (B.Z.) so stark wurde, dafs er Staub 
wolken aufhob. Eine einzige, aber schwerwiegende Aussage, jene des Stations 
vorstehers, geht dahin, dafs der volle Sturm um 2 h 20” losbrach, als der Zug 
von Lübeck eben in den Bahnhof einfuhr; es sei ein einziger, lang andauernder 
Windstofs aus WSW gewesen, der zu Anfang am stärksten war und daun, ohne 
die Richtung zu ändern, schwächer wurde; „der Wiudstofs war zu Anfang so 
stark, dafs einzelne Baumkronen von ihm geknickt und das Wasser im Schweriner 
See zu wasserhosenartigen Gebilden in die Höhe getrieben wurde“. Die neun 
übrigen Aussagen geben jedoch für den stärksten Windstofs einen etwas späteren 
Termin an, der zwischen 2 h 25“ und 2 h 35” schwankt und im Mittel auf 2 h 30’" 
(B. Z., wie auch bei allen folgenden Zeitangaben) fällt; und in der That fordert 
der Vergleich mit den übrigen vorliegenden Zeitbestimmungen aus Mecklenburg 
diesen späteren Termin. 
Diese Angaben sind um so weniger mit einander vereinbar, als sowohl 
der obige, wie einige der letzteren Berichte nur einen einzigen zusammen 
hängenden Windstofs koustatiren; allein mehrere andere Berichte sprechen von 
einem längeren Anhalten des Unwetters mit wechselnder Windstärke; der in 
struktivste unter diesen ist derjenige des Lokomotivführers Stein, der den 
Zug 15 nach Kleinen brachte und von hier den Zug 3 nach Lübeck führte. 
„Wie ich in Kleinen ankam, 2 h 6"’, gewahrte ich, dafs sich die Luft im Süden 
schwarz zusammenzog, und dafs sich grofse Staubwolken vom Erdboden auf- 
nahmen; 2 h 24” fuhr ich von Kleinen ab, und kaum hatte ich die Chaussee von 
Zickhusen erreicht, woselbst der Schutz des Waldes aufhört, als auch der immer 
stärker werdende Sturm den Zug seine ganze Gewalt fühlen liefs. In Pausen 
von 2—3 Minuten kamen die Stöfse mit grofsen Staubmassen herangezogen und 
brachten den Zug aus seiner Geschwindigkeit, so dafs ich immer wieder von 
vorne anfaugen mufste. Am kräftigsten waren etwa der dritte und vierte Stofs, 
ich war bei dem Dorfe Naudin, als der Zug fast ganz stillgehalten wurde“ 
(entspricht der Zeit 2 b 35” p. m.). Wir dürfen also wohl den Windstofs, der 
um 2 h 20“ in Kleinen wahrgenommen wurde, als einen der der eigentlichen Böe 
vorhergehenden ansehen; die Verwechselung desselben mit der letzteren im 
Gedächtnifs ist um so leichter anzunehmen, als der ersterwähnte Bericht drei 
Wochen nach dem Unwetter, am 29. August, verfafst wurde, und das Bahnhofs- 
personal vom Wetter durchaus nicht so afficirt wird, wie jenes auf der Loko 
motive. Weitere Nachrichten über den Verlauf der Erscheinung in dieser Gegend 
lassen sich folgendermafsen zusammonfassen: vor dem Unwetter war die Witterung 
bedeckt und schwül, doch ziemlich schön; etwa 10 Minuten vor dem Stofs wurde 
der Himmel blauschwarz, darauf ganz grau; dann brach ein Orkan los, der Sand 
und Kies hoch aufwirbelte, und dessen Richtung meist als SW oder SSW, ohne 
Aendernng während seiner Dauer, angegeben wird; das Ende desselben wird 
von zwei Zeugen noch vor 2 h 43” verlegt, von anderen nach 3 h , und dürfte,
	        
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