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Full text: 10, 1882

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Luft war augenblicklich noch ganz ruhig, doch einige Sekunden später raste 
ein Wirbelwind, wie ihn ich und selbst meine ältesten Kollegen noch nicht er 
lebt haben. Um nicht umgeworfen zu werden, mufsten Alle stehen bleiben. 
Sehen und überhaupt die Augen öffneu, konnte man des Staubes wegen gar nicht; 
einige Kinder und Frauen hörte ich jämmerlich schreien. Als der erste Stofs 
vorüber war, fafste ich alle meine, durch die Krankheit etwas reducirte Kruft 
zusammen und rannte nach meiner nahen Wohnung; hier beobachtete ich nun 
das Unwetter bis zu Ende. Nach meiner Schätzung hat der Orkan 4 Minuten 
angehalten; erst als derselbe vorüber war, trat sehr starker Platzregen ein, 
welcher 15—20 Minuten anhielt, jedoch ohne Gewitter.“ Letzterer Angabe 
widerstreitet die Notiz der meteorologischen Station Hannover, wonach © 
l k p. m. (im Telegramm steht, nach dem Obigen gewifs richtiger, „Mittags“); 
da die Böe auch anderwärts nur mit wenigen, nicht sehr starken Dounersehlägen 
auftrat, so können wir annehmen, dafs unser Korrespondent einen solchen 
überhört hat. 
Wenig nordöstlich von Hannover, 2 km südlich von der Station Ehlers 
hausen, traf das Wetter den von Hannover nach Hamburg gehenden Zug 55 um 
12 h 39’“ Berliner Zeit; es hielt an, bis der Zug zu der Distanz-Station Wester- 
Celle gekommen war, wonach sich die Zeit seines Endes auf 12 h 54“ Berl. Zeit 
bestimmen läfst. Diese Angabe rührt vom Lokomotivführer des Zuges her und 
ist wohl die genaueste von den drei vorliegenden; die zweite rührt vom Zug 
führer her und fafst das Unwetter weiter, von 12" 29“ in Burgdorf bis 12'* 5S"‘ 
in Celle, doch ohne genauere Beobachtungen; die dritte vom Stationsvorsteher 
in Celle verlegt den Anfang auf 12 h 44®, das Ende auf etwas nach l h . Aus 
dem ersten und dritten Bericht läfst sich folgendes Bild vom Verlauf des Stur 
mes in dieser Gegend bilden: das Wetter war am Vormittag heifs, der Sturm 
trat plötzlich ein, wirbelte kolossale Staubwolken auf, welche die Luft ver 
dunkelten, nach etwa 20 Minuten begann es bei abflauendem Winde und mäfsigem 
Gewitter stark zu regnen, was jedoch nur etwa 15 Minuten anhielt. Der Wind 
war beim ersten Ausbruch des Unwetters am stärksten und liefs allmählich nach, 
seine Richtung war entweder stetig SW oder zuerst W, dann SW (?); Hagel 
fiel während der Böe nicht, dagegen trat (in Celle) um 2 h ein sehr starker 
Regen mit etwas Hagel ein, der jedoch keinen Schaden anrichtete. 
Heber die Untorweser (Vegesack), wo ich mich an diesem Tage befand, 
ging um die gleiche Zeit der linke, etwas zurückgebogene Rand des Unwetters 
hinweg, jedoch nur mit starkem Regen (von 11 */s h ä- m. bis V/i b p. in.) und 
Gewitter (von ll*/4 h a. m. bis lS'/V p. m.), ohne besonders starken Wind. Der 
anfänglich sonnige Morgen war hier schon von 10—IOV2 1 ' a. m. durch Gewitter 
und starken Regen unterbrochen worden, welches kurz vor IO 1 in der charak 
teristischen Form eines dunklen Wolkenwulstes und dahinter liegender hellgrauer 
Regenmasse aus WSW heraufgezogen war und ebenfalls nur wenig Wind brachte. 
Stärker ausgebildet war der Windstofs um diese Zeit im Süden, da Marburg 
@ 2 mit 11V*—12 h a. m., später fü angiebt, Kassel und Fulda @ und um 
l h p. ro., P^ in Fulda l h p. m., in Kassel ll h a. m. bis l h p. m.; die Zeitangaben 
von Kassel dürften, nach der Uebereinstimmung der übrigen Stationen zu ur- 
theilen, ungenau sein und der Windstofs daselbst schon um 127s h » das Gewitter 
zwischen 12*/2 und l h eiegetreten sein. Noch weiter südlich finden wir einen 
Windstofs nicht erwähnt, sondern länger dauernden starken Wind; das Vorüber 
ziehen des Unwetters läfst sich hier nur aus dem Regen erkennen. So wurdo 
in Frankfurt starker Regen ll®/4—127a 11 , starker Wind den ganzen Tag, und 
in Darmstadt Regen um 117s h a. m., starker Wind am Nachmittag und 
Abend notirt. 
Im Laufe der folgenden Stunde, l h — 2 b p. m., wuchs das Phänomen in 
seinem nördlichen Theile rasch zu seiner gröfsten Kraft an, in welcher wir es 
im vorigen Abschnitte kennen lernten. Namentlich am nördlichen linken Flügel 
desselben nahm seine bis dahin mäfsige Intensität sehr zu. Wir haben hier 
zunächst die Berichte der Eisenbahnstationen Uelzen und Buehholz und der 
meteorologischen Station Lüneburg. In Uelzen trat das Unwetter eine kurze 
Zeit, nachdem der von Magdeburg kommende Zug 46 eingefahren war, um 
l h 17® Berl. Zeit ein; als der Zug 59 (nach Hamburg) um l fc 22 m Berl. Zeit 
abfubr, war der heftige Wind schon wieder vorüber. Das Wetter soll hier auch
	        
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