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Full text: 10, 1882

erfolgt sein. In den Dörfern westlich von Mölln, welche ich besuchte, um die 
Wirkungen des Sturmes in Augenschein zu nehmen, wurde mir übereinstimmend 
augegeben, dafs der Wind während des Unwetters noch zugenommen habe, d. li. 
dafs dem ärgsten Stofs starker Wind vorhergegangen sei, der Regen aber 
gleichzeitig mit dem Windstofs eintrat; als die Beschädigungen eben geschehen 
waren, regnete es schwer. Tn Kulissen erzählte mir der Bewohner des einen 
der beiden beschädigten Häuser, er sei bei drohendem Gewitter nach Hause 
gekommen, wobei der Wind schon vor dem Dorfe so stark gewesen sei, dafs 
seine Mütze vom Kopf gerissen und über mehrere Koppeln weggetragen wurde; 
er habe indessen darauf noch Zeit gehabt, das Pferd abzustellen, ehe der Sturm 
das Dach cinrifs. An allen den Orten dauerte der Sturm selbst kaum 10 Mi 
nuten; Hagel ist nirgends in dieser Gegend gefallen, und auch Gewitter war 
nicht viel in der Böe, hauptsächlich ein starker dumpfer Schlag. Beim Heran 
nahen des Unwetters wurde ein starkes Rauschen in der Luft vernommen. Au 
allen Orten zeigten die umgeworfenen oder fortgeführten Gegenstände die 
Richtung des Stofses aus SzW bis SW, durchschnittlich aus SSW, ohne Spuren 
von Wirbeln. 
Auf der Hamburg-Berliner Bahn bestrich innerhalb der in Rede stohenden 
Stunde 1 Vs» bis 2Va" P- in. das Unwetter die ganze Bahnstrecke zwischen dem 
Sachsenwald und Wittenberge, resp. darüber hinaus. Unter den zahlreichen uns 
zugekommenen Beschreibungen wählen wir zunächst diejenigen von Friedrichs- 
ruh, Pritzier und Wittenberge zur Charakteristik des Phänomens aus. Besonders 
an der ersteren, in der Mitte de3 Sachsenwaldos liegenden Station hat der 
Stationsvorsteher Herr Yogi, trotz der Beschränkung des Gesichtskreises durch 
die bewaldeten Hügel, die Erscheinung sehr genau beobachtet: 
„Vor dem Windstofs, welcher hier um l h 40 m Berliner Zeit (l h 28"' Orts 
zeit) stattfand, war das Wetter in Friedrichsruh trübe, regnerisch, und fand 
kein Gewitter statt, wie überhaupt während der ganzen Katastrophe es nur iu 
weiter Ferne donnerte. Um l h 30"' häuften sich die Gewitterwolken südwest 
lich in bedrohlicher Weise und hatten iu 10 Minuten den Horizont über dem 
Bahnhof vollständig verdunkelt, voran, tief niederhängend, eine schwefelgelbe, 
im Vorbeirauschen etwa 10 Sekunden lange Wolke, woran sich eine intensiv 
schwarze, den ganzen Horizont bedcckendo sclilofs, welche beim Herannahen 
mit orkanartigem Brausen den Regen niederströmen liefs. Der Windstofs, als 
diese Wolken ihre Schleusen öffneten, war dabei so heftig, dafs er in der Nähe 
von 1000 Schritten, ungefähr mitten im Walde, ca 30 Bäume, worunter Eichen 
und Buchen von i /iia im Durchmesser, umstürzte, deren Wurzeln und Erdreich 
wie eine Wand 2m hoch in die Höhe standen. Nach dem ersten furchtbaren 
Anprall fanden keine weiteren erneuten Stöfse mehr' statt; das Unwetter dauerte 
etwa 20 Minuten und änderte seine südwestliche Richtung nicht. Die gelbe 
Wolke, welche vor der schwarzen eiuherzog, aber hier nichts zurückliefs, mag 
wohl hagelenthaltend gewesen sein, denn in der Entfernung von etwa einer Meilo 
von hier hörte man nachträglich von Hagelschlag sprechen (vgl. unten, Ab 
schnitt 5). Einige Zeit nach dem Unwetter war Sonnenschein.“ 
Auf der Station Pritzier, westlich von Ilagenow, trat der erste Windstofs 
ungefähr um 2 h p. in. Berliner Zeit ein, während des von l h 55™ bis 2 h 5 m 
dauernden Aufenthalts des Güterzuges No. 306 auf der Station, und legte sich 
der starke Sturm, als dieser Zug etwa 4 km weit gekommen war, also um 
2 h 10 m Berliner Zeit. „Das Wetter war am Vormittage ruhig bei bedecktem 
Himmel; Gewitter hat vorher nicht stattgefunden. Man sah vielleicht eine 
Stunde vor dem Windstofs das Ungewitter sich nähern; dem Windstofs ging 
kein Regen vorher, sondern war die aufgewirbelte Staubwolke das erste und 
kam erst etwa 20 Minuten nach dem ersten Stofs, und nachdem sich der starke 
Sturm etwas gelegt hatte, Regen iu grofsen Tropfen, welcher wohl 20 Minuten 
anhielt, dann schwächer wurde und nach 2 Stunden ganz aufhörte. Der Himmel 
blieb bewölkt bei ziemlich starkem Winde, welcher in der Nacht an Heftigkeit 
noch zunahm.“ Hagel ist hier keiner gefallen; Aenderungon in der Stärke oder 
der Richtung sind während des Sturmes nicht beobachtet, der Wind soll aus 
Westen (?) geweht haben und später nach dem Sturme etwas gegen Norden 
umgegangen sein.
	        
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