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Full text: 10, 1882

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Bewegaugen desselben unter solchen Winkeln erscheinen, welche die arithmeti 
schen Mittel zwischen den wahren und mittleren Bewegungen darätellen. Als 
Näherungssatz hing dies offenbar mit der durch Kepler bekannt gewordenen 
elliptischen Bewegungsart zusammen, dal's diese Bewegung, vou dem anderen 
Brennpunkte der Ellipse gesehen, nahe gleichförmig erscheine, wie in der älteren 
Astronomie die Bewegung um ein „punctum aequantis“. Denn obgleich ein 
solcher Punkt, nach Kepler s Untersuchung, gar nicht cxistirt, so blieb er doch 
näherungsweise gültig, während streng genommen nur die vom Radiusvector 
des Planeten beschriebenen Scktorcnflächeu der Zeit proportional wachsen. Die 
wahren Winkelbewegungen konstruirto Cassini nun zuerst um einen als Sonnen 
ort angenommenen Punkt, wodurch bei 3 Beobachtungen auch 3 Punkte auf 
dem Umfange eines, mit willkürlichem Halbmesser beschriebenen Kreises sich 
ergaben. Er suchte sodann den Ort, wo diese 3 Punkte unter den Winkeln 
erschienen, welche die arithmetischen Mittel aus den wahren und mittleren 
Winkelbewegungen angaben, und der so gefundene Punkt sollte der Mittelpunkt 
der „elliptischen“ Planetenbahn sein, für deren halbe grofse Axe der zuerst 
angenommene willkürliche Radius gesetzt, nun auch der gefundene Abstand der 
beiden Punkte von einander, als Excentrieität zu gelten hatte, womit denn die 
Richtung dieses Abstandes die gesuchte Apsidenlinie darstellte. u ) Waren diese 
Ergebnisse auch näherungsweise zulässig, so gehörte eine solche Auflösung doch 
eigentlich in die vor-Kepler’sche Zeit der Theorie der excentrisehen Kreisbahn- 
Bewogungen und hätte 60 Jahro nach der Veröffentlichung des Hauptwerkes 
von Kepler als verspätet erscheinen müssen, wenigstens nicht die direkte und 
strenge Form einer geometrischen Auflösung beanspruchen dürfen, auf welche 
Kepler, mit gutem Grunde, bei der elliptischen Bewegung schon verzichtet 
hatte. * 12 ) Von dem astronomischen Werthe der Anwendung aber abgesehen, 
hatte die schöne Konstruktion der geometrischen Ilülfsaufgabo die von Cassini 
mit Recht hervorgehobene schätzbare Eigenschaft, dafs nach Hinzufügung eines 
neuen Punktos C' ein neuer Hülfspunkt P entstand, welcher mit den vorigen 
beiden II und I iu derselben geraden Linie liegen mufste, denn diese Linie 
(mau könnte sie die „Cassini’scho Linie“ bei dieser Aufgabe nennen) war 
schon durch die Punkte II und I festgelegt, sofern die Messungen der beiden 
ersten Winkel genau richtig waren. Somit konnte Cassini, auch für seinen 
astronomischen Zweck, vollkommen richtig hinzufügen: „Si l’kypothëse dont il 
s’agit est vraye, et que les observations soient exactes, toutes ces intorsectious 
se doivent faire dans la mémo ligne droite“ (Journal des Sçavans, 1669, pag. 550). 
Cassini wurde auf seine Konstruktion durch die angenommene Hypothese ge 
führt, welche die Benutzung des arithmetischen Mittels zweier gegebenen Winkel 
erforderte, und er legte dio entsprechenden Bögen dieser Winkel an die beiden 
Endpunkte und auf dieselbe Seite des Durchmessers eines um das Dreieck ABC 
beschriebenen Kreises, verband die sich kreuzenden Sehnen, womit ein Winkel 
entstand, der das arithmetische Mittel jener beiden Winkel darstellte, und dessen 
Scheitel als Hülfspunkt in die obige feste gerade Linie zu liegen kam. Doch 
hätten auch rein geometrische Betrachtungen auf dieselbe Konstruktion führen 
U) pie Konstruktion von der anderen Seite zu beginnen, nämlich von der Mitte der Bahn 
auszugehen, dort die arithmetischen Mittel der Winkel anzutragen und hernach den excentrischen 
Sonnenort (durch eine Pothenot'sche Aufgabe) mittelst Benutzung der wahren Winkel-Bewegungen zu 
finden, wäre wohl etwas einfacher gewesen. 
12 ) Fontenellc (Eloge de M. Cassini. „Oeuvres div.“ Nouv. Edit. A la Haye 1729, 
T. III, pag. 157): „Ce fut cette heureuse et sage hardiesse qui lui fit entreprendre la résolution d’un 
Problème fondamental pour toute l’Astronomie, déjà tenté plusieurs fois saus succès par les plus 
habiles Mathématiciens, et même jugé impossible par le fameux Kepler . . . Deux intervalles entre 
le Lieu vrai et le Lieu moyen d’une Planète étant donné, il fallait déterminer géométriquement son 
Apogée, et son Excentricité. M. Cassini en vint à bout et surprit beaucoup le Monde Savant“. . . 
Wenn Fontenclle hier in der Lobrede auf seinen verstorbenen, nicht nur als Entdecker 
von 4 Saturnsmonden, sondern überhaupt höchst verdienstvollen Kollegen, auch eine astronomisch 
unwichtigere, dem Ursprünge nach weiter zurück liegende Jugendarbeit desselben mit Ueberschätzutig 
hervorhebt, so wird das um so weniger befremden, als auch Andere, noch viel später, sich über den 
wirklichen astronomischen Werth der Cassini’schen Auflösung täuschen konnten. Man sehe z. B. die 
folgende Stelle in Hutton’s „Matbematical Dictionary“, London 1796 (art. Cassini): „The same 
year (1652) he resolved an astronomical problem, wliic.h Kepler and Bulliald had given up as 
insolvable; viz., to détermine geometrically the apogee and eccentricity of a planet, from its true and 
mean place“. — Dafs aber Cassini s Voraussetzung nicht strenge richtig sei, hatten schon Nicol. 
Mercator (Phil. Tr. f. 1670) und D. Gregory (Astron. III, 8, Oxon. 1702) nachgewiesen.
	        
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