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Aufsei - den 3 Hauptpunkten A, B, C der Küste, worauf nun die Karte
beruht, könnte man noch viele Nebenpunkte bestimmen, wenn man sie nur an
2 von den 3 Stationen D, E, F gepeilt hat; denn da jetzt die relative Lage
dieser 3 Punkte bekannt geworden ist, so genügt es, von zweien derselben
nach den neuen unbekannten Oertern die Peilungslinien zu ziehen, deren Durch
schnitt dann die gesuchte Lage der neuen Punkte giebt. Hierdurch ist also
eine solche Küstonaufnahme gleichzeitig zu vervollständigen, wenn aufser der
dreimaligen Peilung der 3 Hauptpunkte zweimalige Peilungen einer beliebigen
Anzahl von Nebenpunkten damit verbunden werden. — Statt alle 3 Punkto
A, B, C jedesmal mit dem Kompafs zu peilen, könnte man sich auch mit der
sorgfältigeren Peilung irgend eines der 3 Punkte auf jeder Station begnügen,
im Uebrigen aber die horizontalen Winkel zwischen den 3 Punkten A, B, C
mit einem anderen Instrumente genauer messen und bei Sextanten-Messungen
die Winkel erforderlichenfalls auf den Horizont reduciren.
Zur Geschichte dieser hydrographischen Aufgabe bezeichnet Dubois
(1. c. pag. 610) eine von ihm vorgetragene indirekte Auflösung derselben als
„Methode der Küstenaufnahme von Vincendon Dumoulin“, dessen Werk
„Traité des Levées sous voiles“ auch von Brouwer und van der AA an
geführt wird. Letztere theilen noch eine Auflösung dafür von Dr. Stamkart
mit. Die Aufgabe selbst ist aber schon sehr alt. Wir finden sie vor 119 Jahren
von ihrem Urheber Lambert 5 ) behandelt, welcher sie für eine der schönsten
und zugleich eine der schwersten Aufgaben der praktischen Geometrie erklärt,
und auch besonders für die Küstenaufnahme bereits empfohlen hatte. Die bei
dem obigen Beispiel gewählte, schon vor 40 Jahren angegebene geometrische
Auflösung 6 ) derselben scheint mir noch immer die einfachste und leiehtcsto zu
sein. Sie beruht, wie man sieht, zunächst auf der geraden Linie, als dem einen
geometrischen Orte des gesuchten Punktes bei der Pothcnot’schen Aufgabe.
Wäre der zweite geometrische Ort, nämlich der Kreis, wie bei Collins und
Lambert, dazu auch erforderlich, so würde das Verfahreu weitläuftiger; aber
es ist schon oben angezeigt, wie der Kreis durch eine zweite gerade Linie
ersetzt werden kann, indem au die erste gerade Linie nur ein gegebener Winkel
anzulegen ist, dessen Schenkel durch einen gegebenen Punkt gehen soll.
Für die mit der vorstehenden Aufgabe, bei der gewählten Konstruktion,
nahe zusammenhängende Potheuot’sche Aufgabo folgen hier noch einige Bei
träge, in Bezug auf die Geschichte der verschiedenen geometrischen Auf
lösungen derselben, nach der Zeitfolgo geordnet:
1617, W. Snellius. Konstruktion mittelst des Durchschnitts zweier
Kreise. Die älteste Anwendung der Aufgabe zu geodätischen Zwecken, als ein
„Theorema scitum“ beschrieben in dem selten gewordenen Buche: „Eratosthenes
Batavus, De Terrae ambitus vera quantitate, a Willebrordo Snellio“. Lugduni
Batavorum 1617. 7 ) Die Aufgabe lautet, pag. 203: „Trium locorum intervallis
inter se datis, quarti distantiam ab omnibus unica statione definire“. Als erstes
Beispiel dionto die Bestimmung der Entfernungen des Thurms (o) einer Gewerk
5 ) J. H. Lamberts „Abhandlung von dem Gebrauche der Mittagslinie beyrn Land- und
Feldmessen“. Denkschr. d. München. Akad., I, 1763, pag. 16—24. — „Beiträge zum Gebrauche
der Mathematik“, Berlin 1765, pag. 72—83.
„Archiv der Mathem. u. Physik“, Baud 3, Greifswald 1843, pag. 74: „Neue Konstruktion
einer Lambert’schen Aufgabe aus der praktischen Geometrie“. Von G. D. E. Weyer, Assistenten
an der Sternwarte zu Hamburg.
1) Die bei Kästner (Geom. Abh., Band 1, Göttingen 1790, pag. 4 der Vorrede) unrichtig
angegebene Jahreszahl (1614) dieses Werkes, von dem uns ein Exemplar der Göttinger Bibliothek
vorliegt (wo keine Ausgabe desselben von 1614 existirt), ist in viele deutsche Schriften von sonst
auch historisch sorgfältigen mathematischen Autoren bis in die neueste Zeit übergegangen. Sogar
in der aus dem Holländischen übersetzten Geometrie van Swinden’s von C. F. A. Jacobi, Jena
1834, pag. 316, wird die unrichtige Ivästner’sche Angabe wiederholt. Im holländischen Original
dieses Buches, vom Jahre 1790, hat van Swinden seinen berühmten Landsmann Snellius über
haupt bei dieser Aufgabe (pag. 354) noch nicht erwähnt, obwohl er sonst ein Paar geschichtliche
Bemerkungen dazu anführt. Also erst durch Kästner (1790) mufste Snellius hierbei wieder in
Erinnerung gebracht werden! Die richtige Jahreszahl (1617) findet sich übrigens auch bei Kästner
selbst, in dessen Geographie § 8, I, angegeben.