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Maskelync und seinen Zeitgenossen. Die gegenwärtige Schrift von Airy über
denselben Gegenstand wird umsomehr eine besondere Aufmerksamkeit in An
spruch nehmen müssen. Schon das Urtheil Airy’s über den besten Weg zur
Behandlung der in vielfacher Form erörterten Aufgabe kann nur von grofsem
Interesse sein. Wesentlich Neues auf diesem, nach allon Beziehungen mathematisch
durchforschten Gebiete hervorzubringen, ist freilich kaum zu erwarten, und
auch die von Airy hcrgcleitetc und empfohlene Formel ist nicht neu, sondern
schon von Legendrc im Jahre 1806 in den Memoiren der Pariser Akademie
veröffentlicht worden.* *) Ohne Zweifel würdo Airy dies auch angeführt haben,
wenn cs hier seine Absicht gewesen wäre, in weitere wissenschaftliche Er
örterungen mit Rücksicht auf die früheren Bearbeitungen des Gegenstandes ein-
zugehen, aber die vorliegende kleine Schrift, deren Text sich eigentlich nur auf
sioben Oktavseiten reducirt, wovon vier als Hauptthcil der Darstellung der
Methode und die drei übrigen als Anhang der Berücksichtigung der Erd
abplattung gewidmet sind, — diese kurze Anleitung hat hauptsächlich nur den
praktischen Zweck, für den Navigateur ein bündiges Rcchuungs-Schema zu
liefern, in Begleitung einer vollständigen dementaren Herleitung der Formel.
Der ehrwürdige Verfasser ist bekanntlich immer weit davon entfernt gewesen,
irgend welche Claims to novelty geltend zu machen, wo sie auch berechtigt ge
wesen wären, und es rnufs den Herren Herausgebern überlassen bleiben, die
Bezeichnung als neue Methode gewählt zu haben. So ist cs freilich auch von
anderen Seiten oft geschehen, wo es sich eigentlich nur um neue Veranstaltungen
zur praktischen Einführung einer schon bekannten Methode handelte. Es kommt
hier noch vielleicht hinzu, dafs die bereits vor 75 Jahren von Legendrc er
schienene Arbeit aufsorhalb Frankreichs weniger allgemein bokanut sein mag.
Aber wie dem auch sei, jedenfalls ist es gegenwärtig wichtig, dafs wieder auf
die etwas in Verfall gekommene Längenbestimmung aus Monddistanzen neu be
lebend eingewirkt wird durch die Publikation und Verbreitung des Werkchens
von Airy, welche dem Hydrographischen Amte der englischen Admiralität zu
danken ist.
Um auf eine nähere Besprechung desselben eiuzugehen, so ist zur
Orientirung über die Sachlage nur daran zu erinnern, wie um die Mitte des
vorigen Jahrhunderts die Idee einer leichteren praktischen Verwerthung des
Monddistanzou-Problems zunächst durch Lacaille gefördert wurde, indem er
auf Grund eigener Erfahrungen in nautischen Beobachtungen den Vorschlag
machte, die Winkclabstände zwischen dem Monde und der Sonne nebst einigen
Sternen voraus zu berechnen, und davon auch eine Probe in seinem Modele
pour un Almanach Nautique gab, wo solche Distanzen von vier zu vier Stunden
für einen Theil des Jahres 176Í angeführt waren.*) Die beobachtete Mond
distanz aber bedurfte der Reduktion auf den Mittelpunkt der Erde, um mit der
vorausberechneten verglichen werden zu können. Indem nun Lacaille in Er
wägung zu ziehen hatte, dafs eine direkte strenge Berechnung der sphärischen
Dreiecke für den Seegcbrauch zu beschwerlich fallen würde, wählte er den
Weg, die kleinen Unterschiede zwischen den scheinbaren und wahren Höhen
nach ihrem Einflufs auf die Distanz genähert,zu übertragen, wodurch die Formel
entstand:
D' = D -(- r cos S — p cos M,
in welcher D' die wahre Distanz, D die scheinbare, r die Korrektion der
Sonnen- oder Sternshöhe, p die der Mondshöhe und S nebst M die Winkel an
den scheinbaren Gestirnsörtern bezeichnen. Mit demselben Rechte hätte man
freilich auch die Winkel an den wahren Gestirnsörtern in gleicher Weise ge
brauchen können. Aber schon aus diesem Grunde der Gleichberechtigung
mufste die Wahl des Mittels aus beiden den Vorzug der gröfseren Genauigkeit
verdienen. Ferner zeigt auch die Figur zur Erläuterung und Rechtfertigung,
wie die Annahme der Winkel an den scheinbaren Gestirnsörtern eine kleine
Ungenauigkeit im Resultate übrig läfst, welche nahe von derselben Gröfse aber
i) Nouvelle formule pour réduire en distances vraies les distances apparentes de la I.une au
Soleil ou à une étoile. Par A. M. Legendre. Lue le 3 ventôse an 11. Mémoires de l’Institut des
Sciences. Paris 1806, pag. 30—47.
*) In Lacaille’s Ausgabe von Bouguer’s Traité de Navigation, pag. 265.
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