Skip to main content

Full text: Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie, 10 (1882)

343 
vor, eiu Umstand, der zwar zusammen mit der geringeren Fortpflanzungs 
geschwindigkeit der Minima die Raschheit der unperiodischen Temperatur 
schwankungen in Europa verringert, aber zugleich der Temperatur gestattet, 
sich durch längere Zeit mehr von dom vieljährigen Mittel zu entfernen, als es 
in Amerika vorkommt. Die Karte zeigt uns nur eine schwach frequontirte 
Zugstrafse, die südlich von Deutschland vorbeiführt, und eine ganze Reihe zum 
Theil weit stärker vertretener, die nördlich von uns vorübergehen. Die Wirkung 
auf unser Klima ist leicht einzusoben. Wie vollständig der Charakter der 
Witterung sich ändert, wenn die Minima beginnen, statt jener ersten eine der 
letzteren Strafsen zu befolgen, davou hat der Dezember 1876 ein bemerkens- 
werthes Beispiel geliefert: die starke, durch den heftigen Ostwind noch durch 
dringendere Kälte in Norddeutschland, welche in den Weihnachtstagen das 
Vorübergehen zweier Minima von Westfrankreich nach dem Mittelmeere be 
gleitete, wurde plötzlich von Thauwctter abgelöst, als das Maximum, der kalten 
Luft folgend, sich südlicher verlegte und ein Minimum auf der Zugstrafse von 
Irland nach den Lofoden sich bewegte, dem fernere auf jener über die schwe 
dischen Seen uud Petersburg folgten, die namentlich am Abend des 1. Januar 
einen starken SW-Sturm in Norddeutschland verursachten. 
Das soeben erwähnte merkwürdige, Centraleuropa auf seiner Südseite 
umbiegende Bahnsystem, welches vom Westonde des Kanals zum Mittelmecre 
und von da zum Theil zur Ostsee führt, wird in einzelnen Theilen oder in seiner 
Gesammtheit relativ am häufigsten in den Frühjahrs- und Spätherbst-Monaten 
von Depressionen verfolgt. Im Frühjahr rufen sie, im Verein mit einem Maximum 
in Nordeuropa, dio häufigen nördlichen und östlichen Winde und die verheerenden 
Spätfröste hervor. Indessen kam auch während der Wintermonate 1878/79 die 
Fortpflanzung von Depressionen vom Mittelmeere nach der Ostsee auffallend 
häufig vor und hatte mehrfache schwere Schneestürme in Ostdeutschland 
zur Folge. 
Betrachten wir die Bahnenkarte des durch seine Witterung höchst 
bemerkenswerthen März 1876, so sehen wir vom 18.—27. dieses südliche Bahn 
system in guter Entwickelung vertreten, begleitet von einem Temperatur- 
Rückschlag in Centraleuropa; am 12.—13. durchlief dagegen ein Minimum mit 
ungewöhnlicher Geschwindigkeit die von Südengland über Hamburg nach Peters 
burg führende Zugstrafse, den stärksten Sturm des letzten Jahrzehnts in Mittel 
deutschland hervorrufend, der seine Spur auf viele Jahre durch gewaltige Ver 
wüstungen in den Wäldern hinterliefs. Wenige Tage vorher und nachher sehen 
wir zwei Minima auf den beiden von den Shetlands nach dem Skagerrak und 
nach Christiania führenden Zugstrafsen sich fortpflanzen, deren erstes am 9. 
in Nordschottland das Barometer bis unter 710mm sinken läfst, während beim 
zweiten am 15. die Windgeschwindigkeit in Hamburg über 25 m per Sekunde 
erreichte. Dagegen verfolgten im März 1878 und im Dezember 1880 eine Reihe 
von intensiven Wirbeln in unmittelbarer Aufeinanderfolge südostwärts gerichtete 
Bahnen, die entweder in der Zugstrafse von den Färöer nach Littauen oder 
derselben parallel etwas weiter nordöstlich lagen und oine Succession schwerer 
NW-Stürme über die deutsche Küste brachten. Im Februar 1878 dagegen 
herrschte über Centraleuropa sehr ruhiges Wetter mit hohem Luftdruck, während 
fern im Nordosten ein Minimum nach dem anderen südostwärts über Finnmarken 
und Lappland dahinzog. 
Der August 1877 wiederum zeichnete sich durch die vollständige Vor 
herrschaft derjenigen Zugstrafse aus, welche von England über die Umgebuug 
des Skagerraks nach Finnland führt. 
Das entschiedene Uebergowicht, welches die nördlich von uns vorbei 
ziehenden Minima über die südlich von uns ziehenden haben, bewirkt nicht 
allein das unser Klima charakterisirende Vorherrschen südlicher und westlicher 
warmer und feuchter W 7 inde, sondern auch die Reihenfolge, in welcher die Winde 
bei uns gewöhnlich auf einander folgen. Das bekannte Dove’sche Drehungs 
gesetz, welches aussagt, dafs der Wind in unseren Breiton vorwiegend in dem 
Sinne mit der scheinbaren Bewegung der Sonne sich ändert, also E—S—W—N 
und nicht W—S—E—N, ist eine Folge des Umstandes, dafs weitaus dio Mehr 
zahl der rasch sich ändernden Winde in unseren Gegenden cyklonalcu Luft 
wirbeln angehören, deren Ccntren nördlich von uns aus West, SW oder NW 
Aim. d. Hydr. etc., 1882, Il^fi VI 3
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.