Skip to main content

Full text: Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie, 10 (1882)

341 
relativen Häufigkeit der barometrischen Minima in den Gegenden, welche sie 
durchziehen, weil hier ein neues wesentliches Moment in Frage kommt, nämlich 
die Gesellwindigkeit des Fortschreitens, abgesehen von dem Umstande, ob 
die angenommenen Zugstrafsen nahe oder weit von einander liegeu, welcher 
theilweise von der Art der Zusammenstellung abhängt. Ans diesen Gründen 
entspricht der ungemein grofsen Zahl jährlich die grofse Zugstrafse über das 
amerikanische Seengebiet verfolgender Minima, welche Zahl diejenige auf den 
frequentesten anderen Strafsen mehrfach übertrifft, koine ebenso abnorme Häufig 
keit in der Existenz der Minima in den Gegenden, durch die sie führt; denn 
die mittlere Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Minima ist in Nordamerika, wie 
schon erwähnt, etwa doppelt so grofs wie bei uns. 
Aufscr den zahlreichen, rapid von Westen durchziehenden Depressionen, 
welche mit den zwischengelagerten barometrischen Maxima aufserordentlich 
rasche Schwankungen im Luftdruck und in der Temperatur dieser Gegenden 
verursachen, kommt eine erhebliche Anzahl solcher auch aus dem Südwesten 
von Texas oder der östlicheren Golfküste, namentlich in der kälteren Jahres 
zeit, nachdem sie dort die sog. „ North er s“ bewirkt haben. Dagegen dürfte es 
zunächst überraschen, dafs die so viel besprochenen westindischen Orkane mit 
ihrer Umbiegung nach NE einen so geringfügigen Bruchtheil der Geaammtzahl 
der atlantischen Wirbel bilden; so wichtig und furchtbar diese Orkane auch 
sind, so umfassen sie einen so kurzen Zeitraum (Juli bis Oktober) und sind auch 
innerhalb desselben so selten, dafs sie auf die mittleren Werthe der meteoro 
logischen Faktoren keinen Einflufs haben. 
Man möchte erwarten, auf einer weiten Wasserfläche würden sich die 
meteorologischen Vorgänge weit vegeimäfsiger und einfacher abspielen, als auf 
den Kontinenten oder in deren Nähe, wo die Mannigfaltigkeit der lokalen Ver 
hältnisse fortwährend zur Störung des atmosphärischen Gleichgewichts beiträgt. 
Die Erfahrung zeigt indessen, und auch unsere Karte liefert eine Andeutung 
hiervon, dafs die Bewegungen und die Umbildungen der Depressionen auf dem 
Ocean viel unrege]mäfsiger sind, als über dem nordamerikanischeu Kontinent. 
Die Ursache davon liegt wahrscheinlich vor Allem in der Nachbarschaft warmer 
und kalter Meeresströmungen und in der geringeren Reibung an der Wasser 
fläche, wodurch einmal eingeleitete Massenbewegungen sich hier weit länger 
erhalten und in immer neue Formen umsetzen können, mit anderen Worten die 
Nachwirkungen des vorhergehenden Zustands hier mächtiger sind, als auf den 
Kontinenten. Welche Bedeutung die Nachbarschaft verschieden temperirter 
Wassermassen hat, sieht man daraus, dafs diese Unruhe vorwiegend in dem 
westlichen und nicht in dem (an der Oberfläche) glcichmäfsig durchwärmten 
östlichen Theilo des Oceans sich fiudet. Westlich von 30° W-Lg naufs der 
Schiffer sich auf weit raschere Aenderungen des Windes gefafst machen, als 
östlich von diesem Meridian. 
Von den auf der grofsen Zugstrafso vom „far Nor’west“ über die oberen 
Seen heranziehenden Depressionen wendet sich ein Tbeil von da schon über 
Labrador nordostwärts nach der Davis-Strafse, die Mehrzahl indessen geht bis 
zum St. Lorenz-Golf und von dort entweder weiter auf den Ocean oder mit 
einer scharfen Wendung nordwärts nach Grönland. Von der Davis-Strafse, wo 
sieh die Depressionscentren vorwiegend über der warmen Strömung auf deren 
Ostsoite zu halten scheinen, ziehen dieselben entweder weiter dem Pole zu, oder 
ostwärts gegen Island; der Mangel an Observations-Punkten auf Baffinaland 
gestattet in der Regel nicht, festzustellen, inwieweit die von Grönland nach 
Island gehenden Depressionen dieselben sind, welche von Südeu heraufkamen, 
oder neue von NW herangezogene, doch scheint das Letztere nach den Beob 
achtungen der „Florence“ im Cumberland-Golfe seltener der Fall zu sein, als 
man annahm. Die zu errichtende deutsche Polarstation im Cumberland-Golfe 
wird darüber weitere Aufklärung bringen. 
In dem Raume von 70° bis 40° W-Lg und 42° bis 48° N-Br finden wir 
über dem Ocean und den Küstenprovinzen des britischen Nordamerika’® eine 
mannigfaltige Verflechtung der Zugstrafsen, in welcher vielleicht bei weiteren 
Forschungen gröfsere Einfachheit sich wird nachweisen lassen. Die Mehrzahl 
dieser Zugstrafsen verläuft merkwürdigerweise nördlich vom Golfstrom über dem 
kalten Wasser der Polarströmung und berührt höchstens den Nordrand des
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.