218
Hildebrandsson giebt uns für das Ausströmen der Cirrus-Wolken aus
der Depression eine fast allseitig symmetrische Figur 1 ) (vgl.Taf. 12, Fig. 1), welche
einem Spccäalfall entspricht, d. h. das Ausströmen der Cirrus-Wolken aus einer
stationären Depression zeigt, in welcher also keine Kräfte thätig sind, Unter
schiede in der Cirrusbildung vor und hinter oder links und rechts der Depression
zu erzougen. Die Abhängigkeit der fortschreitenden Bewegung der Depression
von dem allgemeinen mittleren Gradieutcn in der Höhe erkennt Hildebrands-
son nicht.
Ganz allseitig gleich ausgebildete Cirrusbewegungen kommen fast niemals
vor; jedoch nähert sich die Cirrus-Ausströmung im Sommer dem von Hilde
brandsson gegebenen Schema, wenn die Vertheilung der Temperatur in der
Atmosphäre von Süd nach Nord geringe Unterschiede zeigt.
Im Herbst und im Frühjahr wird die Bewegung der oberen Luftschichten
wesentlich durch einen allgemeinen Gradient beeinflusst, welcher durch die Ab
nahme der Temperatur von Süden nach Norden resp. Nordosten bedingt ist.
Diesen wichtigen Umstand hebt Clement Ley nicht hervor; es fehlen vielmehr
Temboraturangabcn in der Arbeit desselben, und spricht Clement Ley sogar
die Verwunderung über das verschiedene Verhalten der Depressionen im Sommer
und im Winter aus. s ) Die Erklärung ergiebt sich aus dem wechselnden Ver
halten der Ost- und Westwinde im Sommer und im Winter. Im Winter siud
in NW-Europa die Westwinde die relativ wärmsten, dagegen die Ostwinde die
relativ kältesten, so dafs eine tiefe Depression auf ihrer Südseite viel höhere
Temperaturen, als auf ihrer Nordhälfte besitzt, woraus sich für die Höhe ein
sehr starker, von Süd nach Nord gerichteter Gradient entwickelt, unter dessen
Eiuflufs sich die Luft der oberen Schichten von SW nach NE bewegt. Die
inneren Kräfte der Depression vermögen wohl diese angestrebto Bewegung ab
zulenken, aber nicht vollständig zu verhindern.
Im Sommer dagegen ist der Ostwind verhältnifsmäfsig warm und der starke
vom Meere blasende Westwind relativ kühl, so dafs der Temperaturgegensatz
von Süd nach Nord und somit auch der allgemeine mittlere Gradient in der
Höhe fast verschwindet.
Bei kleinen Depressionen resultirt die allgemeine mittlere Bewegung der
oberen Luftschichten aus dem durch Temperaturvertheilung und Druckvertheiluug
am Erdboden erzeugten oberen Gradienten und ferner aus der durch einen
größeren atmosphärischen Wirbel erzeugten lebendigen Kraft, in welcher Haupt
depression die zu betrachtende kleine Depression als Theilminimum erscheint.
Die Cirrusbewegung einer fortschreitenden Depression. Die
folgenden Konstruktionen (Fig. I und 11) sollen zeigen, wie durch die Ein
führung einer allgemeinen mittleren fortschreitenden Bewegung der oberen
Schichten in das von Ilildebrandsson gegebene Schema, die wahre normale
von Clement Ley beobachtete Bewegung der Cirrus-Wolken in einem atmo
sphärischen Wirbel entsteht.
Das von ilildebrandsson gegebene Schema für Cirrusbeobachtungen
wird durch folgende Betrachtungen erklärt.
Die Unterwinde übertragen durch Reibung und durch das Emporsteigen
von Luftmassen lebendige Kraft auf die oberen Luftschichten. Diese kreisen
daher im Sinne der Uuterwinde um die Depression. Da aber in der Höhe die
Depression an relativer Tiefe abnimmt, so ist dieselbe nicht mehr im Stande,
ein Einströmen der Luftmassen zu veranlassen, vielmehr streben dieselben ver
möge der Erdrotation und der Centrifugalkraft nach aufsen. Die Unterwinde
durchschneiden die Isobaren, indem sie in das Depressionsgebiot eindringen,
während in mittleren Schichten sich die Luft parallel den Isobaren bewegt und
in größerer Höhe, nach aufsen dringend, die Isobaren überschreitet. Die hierzu
erforderliche lebendige Kraft besitzt die Luft der oberen Schichten vermöge
der Uebertragung der Geschwindigkeit des Unterwindes auf die höheren Regionen
des Wirbels.
*) „Essai sur les couvants supérieurs de l’atmosphère“, par II. Hildebrandsson, pag. 9.
*) Cl. Ley, pag. 439.
„1 have found that in winter very local depressions, even when deep, scarcely affect the
direction of the cirrus currents in their vicinity, the latter continuing to be governed by the more
general distribution of barometric pressures. — Couriously enough, this is not the case in summer.“